Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
diese ängstlich fragend das Gesicht verzerrte. Lliane packte die Reue: Selbstverständlich erinnerte sich die Heilerin nicht, sie selbst hatte ja alles Nötige dafür getan. Sie hob die Hand, um sie zu beruhigen, und schloss gequält die Augen ...
»Allein Myrrdin und sie ... Nennst du das vielleicht ein Geschlecht?«, sagte sie mit einer weniger sicheren Stimme als beabsichtigt.
Der junge Ollamh schüttelte den Kopf und schlug die Augen unter dem Blick der Königin nieder.
»Myrrdin war mein Schüler«, schaltete Gwydion sich ein, und er zeigte mit einer nachlässigen Handbewegung auf Lleu Llaw Gyffes. »Ich habe die beiden gemeinsam erzogen, nachdem du deine Initiation bestanden hattest... Keiner kennt Myrrdin besser als er.«
Lliane richtete ihr Augenmerk auf den jungen Druiden. Er war ein Elf, daran bestand kein Zweifel, aber er war auch das Kind ohne Namen, das Gwydion im Wald gefunden und weit entfernt von allen anderen großgezogen hatte, das Kind ohne Cian ...
»Das ist wahr«, räumte dieser in resoluterem, fast aggressivem Ton ein. »Wir waren mehr oder weniger Brüder, und gleichzeitig hatten wir nichts gemein. Er war nicht einfach nur ein Bastard wie ... wie ich. Er war ein besonderes Wesen. Bisweilen machte er mir Angst, und dann wieder hätte ich mein Leben für ihn gegeben, so sehr habe ich ihn bewundert. Er hat dieselben Dinge gelernt wie ich, aber bei ihm verhält es sich mit der Magie der Bäume anders. Er hat etwas an sich, was ich nie verstanden habe ...«
»Er hat Recht«, sagte Gwydion. »Es ist, als habe sein menschlicher Anteil alles, was ich ihn gelehrt habe, ins Abnormale verkehrt. Nein, nicht ins Abnormale verkehrt... verwandelt.«
Unschuldig blickte er zu Lliane auf.
»Du weißt doch, dass die meisten Elfen oder Menschen bei seiner bloßen Gegenwart ein ungutes Gefühl beschleicht?«
»Und deine Tochter ist wie er!«, erklärte der Ollamh.
Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, und er dachte vermutlich, er mache der Königin ein Kompliment, doch Lliane empfand diese Worte ausnahmslos als beleidigende Anspielungen.
»Ich glaube, er hat Recht«, bemerkte Gwydion in väterlichem Ton und ergriff ihre Hände. »Deine Tochter gehört einem Geschlecht an, das weder zu den Elfen noch zu den Menschen zu rechnen ist. Ich habe Llandons Unbehagen gespürt, als er sie in den Arm genommen hat. Sie ist wie Myrrdin, nicht wahr?«
Die Königin erwiderte nichts.
»Die Rune steht auf dem Kopf... Sie selbst wird über ihr Schicksal bestimmen. Ich glaube, dass deine Tochter weder Kö nigin der Menschen noch der Elfen sein wird, sondern die eines anderen Volkes, vielleicht eines neuen Volkes, das aus dieser Mischung hervorgegangen ist... Du kannst nichts für sie tun, Lliane. Vielleicht... Vielleicht solltest du sie Myrrdin anvertrauen.«
Schon wieder dieser Name! Lliane riss ihre Hände aus dem Griff des alten Elfen los und blickte ihn mit unbändigem Hass an.
»Ist das alles, was dir dazu einfällt?«, stieß sie hervor.
Sie sprang auf und fegte mit einem Fußtritt die drei Runen beiseite, die auf dem Boden aufgereiht lagen.
Gwydion starrte mit großen Augen auf die über den Boden zerstreuten Holzplättchen, unfähig zu begreifen, dass sie es gewagt hatte, ein derartiges Sakrileg zu begehen.
»Ich soll sie aussetzen, ist es das, ja? Ich soll sie alleine im Wald zurücklassen, obwohl sie nicht einmal einen Tag alt ist, und sie ... wie hast du dich ausgedrückt, sie soll ihrem Schicksal allein die Stirne bieten?«
»Lliane«, murmelte Gwydion. »Die Runen ...«
Die Königin stieß einen wütenden Schrei aus, stieß Lleu Llaw Gyffes, der in die Hocke gegangen war, um die wertvollen Plättchen einzusammeln, beiseite und lief, ohne sich noch einmal umzudrehen, zu ihrer Hütte hinüber.
Im Wald kehrte wieder Stille ein. Gwydion erhob sich mühsam, auf den Arm seines Ollamh gestützt. Blodeuwez und die beiden Brüder senkten die Köpfe; sie vermieden es, dem alten Druiden in die Augen zu sehen, und schielten unschlüssig zu Llianes Hütte hinüber. Vermutlich weinte sie dort, hingesunken am Fuße von Rhiannons Lager. Oder vielleicht hielt sie sie eng umschlungen, einsamer, als je irgendeine Mutter gewesen war.
Gwydion, der sich auf den Arm seines Schülers stützte, schien um hundert Jahre gealtert. Als sie an den Brüdern vorbeigingen, wagte Blorian, aufzublicken und dem alten Druiden in die Augen zu schauen.
»Und was nun?«, fragte er.
Der Greis schüttelte unendlich traurig den
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