Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
Vom Netzwerk:
gezahlt würde in soliden Goldoder Kupfermünzen, je nach Rang. Aber Gorlois hielt nicht an. Gefolgt von den Recken der Garde, ritt er neben dem Wagen mit dem Toten durch die Vorstadt hinauf, unter dem Rattern der eisenbeschlagenen Räder auf dem unebenen Pflaster der schmalen Gassen, die Augen auf die hohen Türme des Palastes geheftet, die über der Stadt aufragten. Am Ausfallstor zögerte er einen Moment und stieg dann, als habe er lange genug nachgedacht, von seinem Pferd, ergriff ein unförmiges Bündel, das neben der Leiche lag, und ging der Königin Igraine entgegen.
    Sie stand bereits am Fuße der großen Treppe, umgeben von ihren Gesellschafterinnen, dem königlichen Herold und ihrer persönlichen Garde, und war noch bleicher als gewöhnlich, so zierlich inmitten all dieser vielen Menschen, so jung für eine Königin ...
    »Herzog und Seneschall Gorlois von Tintagel«, schmetterte der Herold und schlug mit seinem eisernen Stab auf die Steinplatten.
    Unwillkürlich hielt der Herzog inne. Die höfische Etikette schien bei diesem Anlass auf eine eigentümliche Weise unan gebracht, doch er selbst hatte sie einstmals durchgesetzt, wie eine Zwangsjacke, die dazu bestimmt ist, die allzu brüderlichen Gefühle der Barone zu unterbinden; sie waren alte Kriegskameraden, die bisweilen meinten, sie könnten sich alles erlauben, weil sie an diesem oder jenem Tag, während irgendeiner Schlacht, demjenigen das Leben gerettet hatten, der später ihr König war. Gorlois holte tief Luft, die Augen geschlossen, und hob den Arm, damit die Pagen ihn von seinem Schwert und seinem vom Staub des Berges geröteten Mantel befreiten. In Gegenwart der Königin war es niemandem gestattet, Waffen zu tragen. Ebenso wenig in Gegenwart des Königs. Doch der König war schließlich tot, nicht wahr?
    Er seufzte, als ein Page sein Gehänge entfernte und ihn so um das tonnenschwere Gewicht des Heiligen Schwertes der Zwerge erleichterte, doch er fasste sich gleich wieder, packte den jungen Diener und ergriff den Knauf des Talismans.
    »Excalibur!«, donnerte er mit heiserer, von der Müdigkeit und dem Staub angeschlagener Stimme, und zog das Schwert aus der Scheide, um es über seinem Kopf durch die Luft zu schwenken. »Der verfluchte Talisman der Zwerge!«
    »Gott hat uns zum Sieg verholfen!«, fuhr er mit einem unmerklichen Neigen des Kopfes in Richtung des Mönches fort. »Doch dieser heidnische Talisman hat seinen Preis gefordert. Der König ... Der König ist tot.«
    Igraine stand sprachlos und wie versteinert in ihrem langen roten Kleid aus dunklem Samt, dessen schmale Ärmel ihre Arme bis zu den Fingern bedeckten. Sie sah noch blasser aus als die schleierartige Rise, die ihr Gesicht und ihren Hals umgab und ihre langen blonden Haare verbarg; doch Gorlois wusste, dass sie Pellehun nicht geliebt hatte. Wie hätte sie ihn auch lieben sollen? Vom Alter her hätte er ihr Vater sein können, ja sogar ihr Großvater (wie er selbst im Übrigen), und er hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er stets einzig und allein die erste Königin, Brunehaut, geliebt hatte, die im Wochenbett gestorben war und ihr einziges gemeinsames Kind mit sich ge nommen hatte. Der Prinz war derart in Raserei geraten, dass an jenem Tag einige Druiden im Walde der Elfen ihr Leben gelassen hatten, ebenso wie ein Mönch, der verrückt genug gewesen war, ihm zum Trost zu sagen, dass dies Gottes Wille war.
    Pellehun hatte Jahre später Igraine geheiratet, weil sie dem für seine Fruchtbarkeit berühmten Hause von Carmelide entstammte, doch sie hatte ihm kein Kind zu schenken vermocht, und der König hatte bald davon abgesehen, das Lager mit ihr zu teilen. Die Königin war zu der Zeit erst sechzehn Jahre alt gewesen; sie hatte ihre Jugend zwischen den dicken Mauern von Loth vergeudet, ohne Freunde, ohne Liebschaften, und hatte sich standesgemäß verhalten, indem sie so tat, als höre sie das Raunen nicht, das jedes Mal laut wurde, wenn sie am Arm des Königs auftauchte. Igraine war trotz allem schön. Klein und ein wenig mollig, mit breiten Hüften, aber einer schmalen Taille, hatte sie mit zweiundzwanzig Jahren immer noch ein Kindergesicht und den Busen eines jungen Mädchens, der vor langer Zeit durchaus dazu angetan gewesen war, den König in Erregung zu versetzen, und den Gorlois nun hemmungslos anstarrte ...
    »Wo ist er?«, fragte sie den Seneschall, ohne ihn anzusehen.
    Er wandte sich um, machte eine Handbewegung, und die zwölf Recken setzten sich umgehend auf dem

Weitere Kostenlose Bücher