Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Er streckte die Hand nach ihrer Wange aus, um eine Strähne beiseite zu streichen, aber die Augen der jungen Frau öffneten sich im selben Moment, gleichzeitig wich sie instinktiv zurück. Sie schlief tatsächlich nicht...
»Lasst mich in Ruhe!«
Der alte Krieger zog seine Hand zurück, als habe er sich verbrannt, und wich einige Schritte nach hinten, mehr gekränkt als wütend. Sie presste die Betttücher an sich, um ihre Blöße zu verbergen (als hätte er sich nicht gerade zu Genüge an ihrem Körper delektiert!); und trotz ihrer Jugend, trotz ihres verängstigten Blickes und ihrer Tränen war das die Königin, die er da vor sich sah. Die Gemahlin Pellehuns.
»Ich lass Euch schon«, grummelte er, während er ein langes Leinenhemd von der hölzernen Truhe nahm, um es anzuziehen. »Doch ich bin noch nicht fertig mit Euch. Ob Ihr es wollt oder nicht, Ihr werdet meine Königin sein.«
»Ihr seid nicht König«, schrie sie in so schrillem Ton, dass er fürchtete, sie werde die ganze Burg aufwecken.
Daraufhin verließ er den Raum und zog schleunigst die Tür zum Gemach hinter sich zu.
Sollte sie doch alleine schlafen, sie würde schon sehen, was sie davon hatte. Was er brauchte, war ein kühles Bad im Badehaus, ebenso wie Gesellschaft, um über die Schlacht zu reden und zu trinken. Er hatte die Stadt, er hatte die Armee, er hatte das Schwert... Und er hatte sie gehabt. Das ganze Königreich musste es bereits wissen. Was spielte es infolgedessen schon für eine Rolle, dass sie ihn nicht liebte. Pellehun liebte sie jedenfalls ebenso wenig. Oder auf alle Fälle weniger als er selbst, sein Beinahe-Bruder, ihn geliebt hatte. Wie hätte er ihr die Herrschaft überlassen können? Und wozu? Sie war nicht einmal fähig gewesen, dem König einen Erben zu schenken!
Das Schlagen der Tür riss zwei seiner neu ernannten Recken aus dem Schlaf, die im Ehrengemach, in dem das Königspaar seine Vertrauten zu empfangen pflegte, benommen vor Müdigkeit auf Stühlen zusammengesunken waren. Die beiden Männer waren seit der Schlacht nicht aus ihrer Rüstung herausgekommen ...
»Ihr stinkt wie die Böcke«, bemerkte Gorlois mit einem hämischen Lachen. »Los, kommt mit mir ins Badehaus!«
Im Gang nahm eine Gruppe Garden mit Kurzlanzen Haltung ein, als sie herauskamen, doch der Seneschall würdigte sie nicht einmal eines Blickes. Der Flur, der zu den königlichen Gemächern führte, diente zugleich als Kurtine, über die man bis zum Bergfried in der Mitte der Burg gelangte. Nach der feuchten Hitze im Zimmer empfand er die dort herrschende Kühle als wohltuend. In die dicke Mauer waren hier und da Schießscharten geschlagen, durch die die Brise hereinwehte; zwei zylindrische Warten ragten an der Außenseite heraus, gleich steinernen Schilderhäuschen, welche im unteren Teil mit Pecherkem versehen waren, durch deren Öffnungen man den Feind beobachten oder Geschosse abfeuern konnte. Der Geruch und das nervtötende Brummen der Fliegen verrieten mehr als deutlich, wozu die Wachen sie in Friedenszeiten benutzten ...
Abseits, auf einem schattigen Stück zwischen zwei Fackeln, erblickte Gorlois eine mit einer langen Kutte bekleidete Gestalt, die auf den Boden hingegossen lag wie ein nasser Sack.
»Was ist denn das?«, fragte er, während er mit dem Kinn darauf wies.
Doch der Mann mit der Kutte stand bereits auf.
»Verzeiht mir, Messire. Ich muss wohl eingeschlafen sein ...«
Er trat bis unter die Wandbeleuchtung vor, und der Seneschall erkannte ihn wieder. Es war Blaise, der Franziskaner mit der traurigen Miene und Beichtvater der Königin.
»Wir haben uns den ganzen Tag über nicht sehen können«, hob er an.
»Wieso?«, erwiderte Gorlois. »Habe ich verlangt, dich zu sehen?«
Hinter ihm brachen die Recken und Wachen in schallendes Gelächter aus, aber der Mönch starrte ihn mit einem Ausdruck an, der ihn in höchste Wut versetzte. Eine Mischung aus Gutmütigkeit, Mitgefühl und ... Erbarmen?
»Ich dachte, du bräuchtest Gott, mein Sohn. Damit deine Seele Frieden findet ...«
Gorlois ballte die Fäuste und blickte ihn für die Dauer eines Augenblicks hasserfüllt an, doch dann fasste er sich sogleich wieder und stieß einen langen Seufzer aus.
»So ist es ... Morgen.«
»Morgen, mein Sohn, ist es vielleicht schon zu spät. Du lebst im Zustand der Todsünde. Du musst deine Fehler beichten, dich demütig zeigen vor Gott und ihn um Vergebung anflehen.«
»Mich demütig zeigen?«
Einer der Ritter lachte spöttisch
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