Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Informanten aus der Gilde verfügte aber Bruder Illtud war in früheren Zeiten einmal Ritter gewesen, unter dem vergessenen Namen Illtud de Brennock, bevor er dem weltlichen Leben entsagt hatte und ins Kloster eingetreten war. Gewisse Leute betrachteten ihn als Heiligen, und der Bischof selbst mischte sich trotz seiner Allmachtsstellung nicht in die Angelegenheiten seiner Mönche.
Zur Stunde hüllte er sich in Schweigen und musterte Gorlois derart beharrlich, dass der Herzog die Augen niederschlug. Er fing sich jedoch sogleich wieder, wütend über dieses neuerliche Zeichen von Schwäche, und herrschte den Mönch donnernd an.
»Nun, werter Abt! Du wolltest mich sehen? Hier siehst du mich!«
»Sprich nicht so laut im Hause des Herrn, du gottloser Heide!«
Illtuds Antwort hallte lange in der kleinen Kapelle nach und brachte den Herzog durch ihre Heftigkeit und den hasserfüllten Unterton aus der Fassung.
»Du musst lernen, Demut vor Gott zu zeigen«, fuhr der Abt leiser fort. »Denn ohne Gott bist du ein Nichts.«
Gorlois lachte spöttisch.
»Ein Nichts, das dich für den Rest deiner Tage in den Kerker werfen kann, lieber Abt. Das solltest du besser nicht vergessen, wenn du mit mir sprichst!«
Illtud schüttelte tief betrübt den Kopf, so als wende er sich an ein Kind.
»Du bist nichts, Gorlois von Tintagel«, nahm er den Faden in demselben gedämpften Ton wieder auf. »Seneschall eines toten Königs, ein Schuft und Vergewaltiger, der seinen Treueid gebrochen und seine Königin verraten hat, lebst du durch die Waffen, und du wirst durch sie sterben, wenn du Gott nicht um Vergebung anflehst.«
Der Seneschall zuckte sichtlich zurück, sein ganzer Körper bäumte sich auf in Anbetracht von Illtuds Unverschämtheit, und sein einziges Auge funkelte gefährlich im Halbdunkel des heiligen Ortes. Unter dem Schock wäre er beinahe aufgestanden, um diesen verfluchten Moralprediger zu packen und ihn zu Boden zu schleudern, aber es geziemte sich nicht, schon während der ersten Wortgefechte der Auseinandersetzung ein Ende zu bereiten. Und was hatte er im Übrigen schon mitten im Herzen der königlichen Burg, in der er allein das Sagen hatte, von diesem lächerlichen Mönch zu befürchten? Er entspannte sich und lehnte sich nach hinten, breitete die Arme über die Rückenlehne der Bank und schlug seine weit von sich gestreckten Füße übereinander.
»Hast du mich etwa in aller Herrgottsfrühe geweckt, nur um mir das mitzuteilen?«
»Nein«, erwiderte Bruder Illtud. »Es geschah, um dich mit jener Macht auszustatten, in deren Besitz du dich wähnst. Der wahren Macht. Einer Macht, die noch größer ist als die des Königs Pellehun ...«
Der Abt sah am Blick des alten Kriegers, dass seine Überheblichkeit verflogen war. Gorlois kniff die Lippen zusammen, seine harten Züge wurden von den mit roten Bändern durchflochtenen Zöpfen eingerahmt, sein Kinn war im Eichhörnchenfell seines Mantels vergraben.
»Was glaubst du eigentlich?«, fing er wieder an. »Dachtest du, dass die Vergewaltigung der Königin aus dir einen König machen würde? Nein ... So dumm bist du nicht. Doch wenn Igraine dich aus freien Stücken heiratet, dann sieht die Sache anders aus. Du kannst nicht König werden, ohne von deinen Pairs gewählt zu werden, aber du würdest schon einmal Herrscher des Königreichs, was ja am Ende auf dasselbe hinausläuft ...«
Gorlois verzog zweifelnd das Gesicht.
»Igraine ist eine Tochter der Kirche«, beharrte Illtud. »Zudem ist sie kein naives Gänschen, das in seinen Träumen den hübschen Märchen der Minnesänger nachhängt. Sie ist eine Königin, auch wenn du das ganz offensichtlich vergessen hast. Eine Königin und eine pflichtbewusste Frau, die sich dem Wort Gottes unterwirft.«
Gorlois reckte den Hals aus seinem Pelzkragen und lächelte amüsiert.
»Ist das ein Handel, den du mir da vorschlägst, werter Abt?«
»Ja«, gab Illtud ruhig zurück und nickte bedächtig. »Genau das ist es... Auf der einen Seite die ewige Verdammnis, der Krieg hier auf Erden, die Barone und die Kirche, die sich gegen dich erheben ob Sieg oder Tod, das spielt keine große Rolle, aber letzten Endes ein verachtungswürdiges Leben, der Untergang der Menschheit, die Zwietracht...«
»Und auf der anderen Seite?«
»Auf der anderen Seite der heilige Krieg. Ein Gott, ein König. Der Krieg gegen die Elfen, die Ungeheuer und sämtliche Völker, die auf die Idee kommen, sich dem Wort Gottes zu widersetzen. Und natürlich die
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