Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
er folglich all die Zeit über geschlafen? Er erblickte Belinant de Sorgalles in der Gruppe der Ritter und sah, dass er seine Kettenhaube nach hinten über die Schultern geschoben hatte und seine kahle Stirn ein riesiger blauer Fleck zierte, aus dem Blutstropfen sickerten. Carmelide fragte sich, ob er ebenso mitgenommen aussah wie Sorgalles, mit seinem zerrissenen Kettenhemd, seinem Harnisch, dessen dunkle Farbe an etlichen Stellen abblätterte, überall dort eben, wo ihn ein Schlag getroffen hatte, und mit seinem von Schweiß und Staub geschwärzten Gesicht.
»Wo stehen wir, Belinant?«
»Nach unserem Schreiber sind wir Sieger«, seufzte der Herzog von Sorgalles. »Aber es steht noch das Schlussgefecht aus, und es heißt, Sire Gorlois habe die Absicht, daran teilzunehmen.«
»Umso besser!«
»Ja ... «
Sorgalles bedeutete den um sie versammelten Teilnehmern mit einer Handbewegung, sich zu zerstreuen, und schenkte sich etwas zu trinken ein, während er wartete, dass sie sich entfernten.
»Wen wirst du für den letzten Angriff auswählen?«
»Ich weiß nicht... Blamore wahrscheinlich. Er hat zwei Kränze errungen, er wird einen dritten haben wollen.«
Bélinant schüttelte mit einem freudlosen Lächeln den Kopf.
»Stimmt, du hast geschlafen«, sagte er. »Blamore hat die siebte Attacke durchgeführt. Er hat vor allen anderen angegriffen und sich allein in den Reihen der Feinde wiedergefunden. Sie haben sein Pferd mit dem Morgenstern totgeschlagen, ein Gemetzel ... Was ihn anlangt... «
Er hielt inne und zeigte über seine Schulter zum Zeltlager hinüber.
»Er ist es, den du da brüllen hörst ... Sein Pferd ist auf ihn drauf gefallen.«
»Dann nehme ich Meylir de Tribuit, Morvid, Barant d’Apres ... Der Junge da drüben mit dem gelben Hemd, den hab ich kämpfen sehen, der ist gut. Frag auch Melodias oder irgendeinen X-Beliebigen von Lyonesse, den Grafen Robert... Und du, falls du noch den Mumm dazu verspürst.«
Bélinant nickte und fasste sich an seine Stirn, von der das Blut perlte.
»Ich werde einen neuen Helm brauchen ... «
Léo de Grand sah, wie er davonging, leicht hinkend, aber in aufrechter Haltung. Vermutlich hatte er seine Erschöpfungsgrenze bereits überschritten, und doch wäre es ein Affront gewesen, ihn nicht mit auszuwählen.
»Wieder den Morgenstern, Messire?«, fragte sein Schildknappe.
»Nein ... Der ist zu schwer. Gib mir ein Schwert, und treib mir einen anderen Schild auf, meiner ist zerbeulter als ein Zwergenschädel ... «
Da die Trompeten zur letzten Runde bliesen, schwangen sie sich in den Sattel und ritten alle acht im Schritt bis auf den Turnierplatz, in einer geschlossenen Gruppe, gefolgt von dem ganzen Zug ihrer Soldaten und Anhänger, Krüppeln oder Gesunden. Die Rufe der Menge verdoppelten sich, als sie in die Schranken einritten und einer nach dem anderen vor der Turnierkönigin vorbeidefilierten, das Visier ihrer Helme hochgeklappt, während die Herolde aus vollem Halse brüllten, um, je nach der Großzügigkeit, die die Teilnehmer ihrer Ansicht nach bewiesen, mehr oder weniger wortreich ihre kriegerischen Heldentaten zu loben.
»Ruhm dem Messire Herzog Léo de Grand de Carmelide, dessen Wappen einen aufgerichteten Löwen mit herausgestreckter Zunge auf silbernem Grund zeigt. Herr der Schranken, Großer unter den Großen!«
»Ehre dem Sire Geoffroy, Sohn des Erbin, Ritter. Sein Wappen: blaugrundig mit goldenem Zinnenbalken, auf dem ein roter Drache prangt. Schrecken seiner Feinde.«
Die Herzogin Helled erschauderte, als sie ihren Gatten an der Zuschauertribüne entlang nach vorne reiten sah. Sie tauschten einen langen, stummen Blick, der keinem entging, dann gab er seinem Pferd die Sporen und reihte sich wieder neben seinen Pairs auf dem Turnierfeld ein. Der Wappenkönig kam zwischen den reglosen Reihen der Kavalleristen nach vorn und hob die Hände, um für ein klein wenig Ruhe zu sorgen.
»Hört, hört!«, brüllte er und hob seine heisere Stimme. »Königin Helled, Majestät Igraine, holde Edelfräulein und adlige Herren, Bürger von Loth und Umgebung, hört her! Ehre den kühnen Rittern, die den ganzen Tag über gekämpft haben, Ruhm den edlen Siegern, die zum letzten Gefecht gegeneinan der antreten werden! Messires, beachtet beim Kampf die höfischen Formen, da Euch Damen Zusehen, und haltet Euch an die ritterlichen Regeln!«
Als er sich zurückzog, herrschte vollkommene Stille, lediglich unterbrochen von den Hufen der großen, mit
Weitere Kostenlose Bücher