Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
der Alten, dessen Name so viel wie »Wiedervereinigung« bedeutete. Es war die Nacht der Toten, die einzige Verbindung zwischen Unterwelt und Mittlerer Erde, und jeder musste an die verschollenen Wesen denken, voller Angst, dass sie selbst sich den Lebenden in Erinnerung bringen könnten. Zwerge, Elfen und Menschen jene, die sich der neuen Religion zugewandt hatten, mit eingeschlossen teilten den Glauben ans Jenseits und an das Weiterleben der Seele, selbst wenn sie nicht alle an dasselbe Paradies glaubten. Doch unabhängig davon, welchen Namen man ihr gab Samhain, Allerheiligen oder Halloween es war eine gruselige Nacht, in der einem sachte der eisige Hauch des Todes übers Gesicht strich, in der die ins Jenseits Entschwundenen die Huldigungen der Lebenden entgegennahmen und neue Kraft schöpften, die ihnen erlaubte, ihre lange unterirdische Reise zur Erleuchtung hin fortzusetzen.
Der See war augenblicklich ruhig. Doch bald würde der Wind aufkommen, und die Wellen würden ans Ufer gepeitscht werden und bei jedem Aufbranden eine Flut unsichtbarer Seelen dort anschwemmen.
Von dem Gipfel einer über dem weitläufigen Lager aufragenden Anhöhe aus starrte Uther unverwandt zur Insel hinüber, und Llianes Stimme stieg aus seinem Innern herauf gleich einem kaum vernehmbaren Murmeln. Mit dem Rücken zu der auf dem Hügel entfachten Feuersbrunst stehend, wirkte er, als bemerke er die auf ihn gerichteten Blicke gar nicht, und verharrte so gänzlich unbewegt, dass selbst Merlin es nicht wagte, ihn anzusprechen.
Zu neunt standen sie im Kreis um die Flammen herum und waren so verschieden, wie sich nur irgend denken lässt. Bran, der beide Hände auf eine Axt gestützt hatte, die so hoch war wie er selbst, hatte lange gebraucht, um zu begreifen, dass Uther und Lliane nur noch eine einzige Person waren. Und selbst danach war er nicht davon abzubringen gewesen, dem Ritter die Schlacht unter dem Roten Berg in allen Einzelheiten zu beschreiben sowie ihm die Botschaft des alten Baldwin zu übermitteln, und hatte nicht verstanden, dass Lliane bereits all das wusste, was in Uthers Gedächtnis eingegraben war ... Neben ihm stand Frehir, Häuptling der Barbaren in den Marken, oder Häuptling dessen, was davon noch übrig war. Mit nacktem, zu Ehren seiner Toten bemaltem Oberkörper, das Gesicht ziegelrot vom Feuerschein, glich er einem Turm er war ebenso breit und hoch. Frehir hatte Lliane und Uther auf der Suche nach dem Elfen Gael begleitet und war bereit, auch weiterhin an ihrer Seite zu bleiben, wo auch immer sie ihr Weg hinführen mochte. Niemand hätte auch nur ansatzweise versucht, ihm den Zustand der beiden zu erklären. Neben ihm standen der alte Druide Gwydion und Prinz Dorian, die im Vergleich zu ihm so mager und bleich aussahen. Ihnen zu begegnen und mit ihnen zu reden war für Uther eine harte Erfahrung gewesen. Zum ersten Mal hatte er den Eindruck gehabt, in keinster Weise mehr er selbst zu sein, als er sich da in der Elfensprache mit Wesen unterhielt, die er noch nie gesehen hatte, Prinz Dorian an sein Herz drückte, Blodeuwez umarmte und die Tränen des alten Gwydion trocknete ... Sie selbst schienen durch ihn hindurch nur Lliane zu sehen, als existierte er gar nicht. Vielleicht hatte sie das Gleiche empfunden, als er wieder auf seine alten Gefährten gestoßen war sowie auf die großen Barone, die Ulfin seinetwegen versammelt hatte ... Letzterer, der neben ihm stand, das Gesicht von dem eifischen Pfeil zerschrammt, der ihm den Kiefer zertrümmert hatte, trug seine eigenen Farben: ein Wappen mit einem roten Windspiel auf goldenem Grund. An seiner Seite befanden sich Helled de Sorgalles, die einzige Frau in ihrer Runde, und der Herzog Léo de Grand de Carmelide, dessen Harnisch leuchtend rot funkelte, als würde er glühen.
Als der Wind aufkam, warf Merlin einen Mistelstrauß ins Feuer. Und gleich darauf sprühte ein Funkenregen aus den Flammen heraus und ergoss sich in die schwarze Nacht. Der See kräuselte sich, das Klatschen der Wellen am Ufer wurde heftiger, und alle, die um die Feuer herumstanden, spürten jene eisige Kälte in das Lager einziehen. Junge Elfenmädchen streiften zur Verblüffung der Menschen ihre Gewänder nach unten und hoben die Arme zum Himmel, um ihre nackten Brüste dem unsichtbaren Biss der umherirrenden Seelen darzubieten. Ihre Druiden und Barden stimmten einen seltsamen Sprechgesang an, mal gellend schrill, dann wieder dumpf, zuweilen auch einfach grotesk, wenn sie anhoben wie Tiere zu
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