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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
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glucksen, oder Furcht einflößend, wenn sie so schauderhaft brüllten, dass ihre Stimme heiser klang. Die Zwerge, die in einem zweireihigen Kreis um ein einziges Feuer versammelt waren, stampften schwer und gleichmäßig auf den Boden und murmelten etwas, das wie ein Marschlied klang. Und die Menschen knieten auf der Erde und beteten mit gefalteten Händen, zitternd vor Angst, während, umhüllt von dem eisigen Hauch, die Geister der Verstorbenen vorüberzogen. Wo die Brise zunächst nur winzige Kräuselwellen über den See getrieben hatte, wütete jetzt ein richtiger Sturm. Der Wind schwoll zu einem ohrenbetäubenden Brausen an und wühlte den See so stark auf, dass die Spritzer der riesigen Brecher bis zu den Eichen im Wald hinüberflogen; es war ein infernalisches Tosen, durchdrungen von plötzlichem schrillem Zirpen, Zischen und asthmatischem Pfeifen.
    Das Entsetzen. Das pure Grauen. Der Tod, sichtbar, spürbar, wie ein reißender Strom, der durch die Reihen der Lebenden rauscht...
    Uther hatte die Arme ausgebreitet und wankte unter den heftigen Böen, gebeutelt von dem Ansturm der Bilder und Stimmen, einer Flut von Erinnerungen an geliebte Menschen und an andere, die er gar nicht kannte, ausgesetzt. Tote Freunde, die in seinen Armen lagen, Tsimmi, Roderik, sowie Feinde, die er eigenhändig umgebracht hatte. Ausgemergelte Elfen, düstere Silhouetten mit verzerrten Mienen, dann, flüchtig, eine göttliche Erscheinung, blendend hell, der Hauch eines Gottes, der sein Gesicht streifte. Und unvermittelt blitzte zwischen all den Geistern das Anlitz seines Vaters vor ihm auf. Er schluckte, öffnete die Augen, und die Vision war verflogen. Aber das war doch Cystennin gewesen ...
    »Mein Vater!«
    Der Wind ließ ganz plötzlich nach, so dass er um Haaresbreite das Gleichgewicht verloren hätte.
    Überall im Lager taumelten benommene Wesen oder stürzten zu Boden, gleich Marionetten, denen man den Faden abgeschnitten hat und es herrschte beklommenes Schweigen, in dem wieder das Prasseln der Flammen zu hören war.
    Uther fühlte sich leer, zu erschöpft, um auch nur den kleinen Finger zu heben, erschüttert von den schrecklichen Visionen, die auf ihn eingestürzt waren, von den flüchtigen Erinnerungen an eine göttliche Erleuchtung und von jenem Bild, das ihm nicht mehr aus dem Sinn gehen wollte ... Das Anlitz seines Vaters zwischen den Gesichtern der Toten.
    Er spürte erneut die Blicke der Menge auf sich lasten, doch Merlin war es, der jetzt das Wort ergriff.
    »Hört mir zu! Stämme der Göttin, die ihr vor euren Toten steht, hört mir zu! Ich bin Myrrdin, der Sohn der Elfe! Ich bin Merlin, der Sohn des Menschen! Edles Volk der Bäume, Stamm der Luft, Hüter des Kessels von Dagda, des Grals, der das göttliche Wissen enthält, hört mir zu!«
    Und an allen Stellen des riesigen Lagers, bis zum Saum des Landes von Eliande hin, rückten die Elfen des Großen Waldes zusammen, den Blick auf den Kindmann geheftet.
    »Ihr, die auf Gerechtigkeit bedachten Menschen, Cian des Meeres, hört her! Euer Talisman ist der Fal Lia, der Stein der Königsherrschaft. Weniger noch als irgendjemand anders könntet ihr einen unrechtmäßigen Herrscher dulden. Hört her!«
    Und alle Männer, Frauen, Soldaten wie Barbaren, Köche und Diener, fühlten in ihrem tiefsten Innern die Stimme Merlins nachhallen, obwohl sie so dünn war.
    »Volk der Zwerge, Stamm der Erde, ihr, denen man den Talisman geraubt hat, Caledfwch, Excalibur, das Heilige Schwert von Nudd: Diese ganze Menge ist zusammengekommen, um euch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen!«
    Merlin verstummte, und ein Mal mehr legte sich das nächtliche Schweigen über die Gestade des Sees. Schon waren die Feuer am Verglimmen und brachten nur noch winzige Funken und Glut hervor. Vor seinen Augen breiteten sich, so weit der Blick reichte, Myriaden düsterer Reflexe, Helme, Lanzenspitzen und Rüstungen, aus, gleich den schimmernden Panzern eines Maikäferschwarms. Irgendwo in dieser riesigen Menge standen die Zwerge mit tränenfeuchten Augen und lauschten ihm, dem Hoffnungsboten eines ganzen verschwundenen Volkes ...
    »Es gibt nicht nur ein einziges Volk«, rief er aus. »Und es gibt nicht nur einen einzigen Gott! Das nämlich ist die Weltord nung! Es war der Wille der Götter, dass es wilde Tiere und Schafe gibt, Monster unter dem Wasser und Vögel am Himmel! Die Göttin hat die vier Stämme geschaffen, Elfen, Menschen, Zwerge und Ungeheuer, damit kein Volk das andere unterjochen kann! Ihr,

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