Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
Dank, Kellner!) »Papa, spinnst du, weißt du, was das alles kostet?«, schimpfte Paula. Was für eine Riesenpeinlichkeit! Wenn diese Bestellung auch nur eine Sekunde länger gedauert hätte, wäre Paula im Erdboden versunken. »Wann, mein Schätzchen, sind wir vier denn schon mal in der Stadt der Liebe, hm?«, trällerte Manni in die Runde und schaute seine Tochter herausfordernd an. »Hoffentlich dauert das nicht ewig«, motzte Anton rum, »ich hab Kohldampf!« »Reiß dich zusammen, mein Kleiner, kommt sicher gleich was«, beruhigte ihn Eva. Und Paula bemühte sich, die erhitzten Nachbargesichter weiterhin zu ignorieren. Warum konnte ihre Familie nicht so sein wie alle anderen? Stinknormal!
»Oho!«, rief Manni, als der Kellner auf ihren Tisch zusteuerte. »Nicht so laut, Papa!« Und dann stand endlich das Essen vor ihnen: zwei überschaubar große Steaks mit Fritten, ein kleiner Antipasti-Teller mit Gemüse und ein Stück edleGänseleberpastete. Die Männer strahlten, die Frauen waren entsetzt. »Na, dann, guten Appetit, Familie!« Manni fing schon an zu essen, während Eva und Paula immer noch sprachlos auf ihre Teller starrten. »Sieht wirklich lecker aus, das kalte Gemüse!« Eva schoss kleine, böse Pfeile zu ihrem Manni hinüber, dessen Konzentration voll und ganz dem Fleischbatzen galt. Er hörte und sah nichts mehr. Sohnemann Anton machte es ihm nach. »Ja, und diese Suppenterrine hier, ein Gedicht!«, setzte Paula eins drauf. Sie war wütend. Auf ihren Vater, auf sich selbst und auf die Terrine, die eine Pastete war. Und das alles für ein Heidengeld! »Also, ich weiß nicht, was ihr habt? Wir sitzen hier mitten in Paris in einem urgemütlichen Restaurant und studieren die französische Küche.« Manni versuchte, den Familiensegen wiederherzustellen. »Super! Und zwei von uns werden sogar satt!« Paula konnte nicht aufhören herumzuzicken. »Dafür könnt ihr euch dann noch einen Nachtisch bestellen, einverstanden?«
Als dann zweimal crème brûlée mit vier Löffeln gebracht wurde und der Kellner zu einem kleinen Lächeln ansetzte, war die Welt der Fischers wieder halbwegs in Ordnung. Die Rechnung über knapp 200 Euro faltete Manni allerdings so klitzeklein, dass sie in das hinterste Fach seines Portemonnaies passte, von dem niemand aus der Familie etwas wusste.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Das Abendessen, insbesondere die Lokalsuche, stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Fischers waren vollkommen erschöpft nach ihrem ausgiebigen Tourismusprogramm und wollten eigentlich nur in Ruhe, aber trotzdem gut essen. Dazu möglichst in romantischer Paris-Stimmung und so französisch wie möglich. Da es den meisten anderen Besuchern ähnlich geht, gibt es im Quartier Latin auch eine gigantische Auswahl an Touristenrestaurants und nur noch einige wenige, hochpreisige, einheimische Adressen. Immerhin haben die Fischers eine solche aufgetan. Nur sind sie dort sofort und eher unangenehm aufgefallen: zu laut, zu touristisch, zu deutsch. Dementsprechend wurden sie bedient: schnell und oberflächlich. Zusätzlich ist alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen konnte. Schon der Start war ein zutiefst unglücklicher. Denn in Paris gilt: Der Gast wird vom Kellner platziert und wartet, bis dies geschieht. Hier aber hat Anton mit Sack und Pack den letzten freien Tisch ergattert und demonstrativ belegt. Das schockt nicht nur Restaurantbetreiber und Angestellte, sondern auch alle anderen Gäste. Regel Nummer eins für ein Abendessen in Paris: Geduld und Disziplin.
Der nächste Fauxpas war die Frage nach dem Menü, das ausschließlich mittags angeboten wird. Damit wurde das Unwissen, diesmal gepaart mit einem gewissen Geiz, erneut zur Schau gestellt. Höhepunkt des gesamten Abends aber war die Bestellung einer einzigen foie gras für vier Personen. Denn das ist, trotzdem es sich um eine Vorspeise handelt, einfach undenkbar in Frankreich. Wer essen geht, schaut nicht auf jeden Euro, sondern vergisst und genießt. Und vor allem, wenn es sich um die beliebte nationale Delikatesse, die Entenleber, handelt. Da verstehen Franzosen keinen Spaß. Dass auch die Art des Bestellens, auf Englisch, laut und alles andere als höflich, nicht besonders gut ankam, liegt auf der Hand. Ganz zu schweigen von der verkürzten Form, die dazu führte, dass Eva nur einen Antipasti-Teller und Paula nur eine Gänseleber bekam. Am Ende jedoch bewies immerhin der Kellner etwas Feingefühl und servierte vier Löffel für zwei
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