Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
wirklich sein. »Hier, das sieht doch niedlich aus!«, rief Paula stolz, obwohl sie ahnte, dass die Preisklasse nicht ganz die ihre war. Anton stürmte auf den letzten freien Tisch zu und besetzte alle vier Stühle mit Jacke, Basecap, Rucksack und dem dicken Paris-Reiseführer. Kurz darauf saßen die Fischers erschöpft, aber glücklich im »La Provence« auf der Terrasse an einer süßen, kleinen Straßenecke. Ein großer Heizpilz über ihren Köpfen sorgte für die nötige Gemütlichkeit.
»Fantastique!«, witzelte Manni seinen Hunger weg. Es musste jetzt einfach alles stimmen, er hatte Bierdurst und einen Bärenhunger. Allgemeine Erleichterung machte sich breit. »Egal, was das kostet, wir bleiben jetzt hier!«, verkündete der Familienhäuptling. Paula hatte beim Platznehmen noch ein halbwegs bezahlbares Menüangebot erspähen können und bestellte genau das gleich viermal bei einem leicht genervten Kellner. » Menu is only for lunch « (Das Menüangebot gibt es nur mittags), schmetterte der fast schadenfroh den Fischers entgegen. » Alors, la carte s’il vous plaît « (Dann bitte die Karte), antwortete Paula geistesgegenwärtig und ein Funken Stolz blitzte in Mannis Augen auf. Seine Tochter ließ sich nicht so schnell abspeisen. Schon gar nicht von einem blasierten Franzosen-Kellner! Die Karten kamen und die vier studierten eifrig, was nicht zu studieren war. Die komplizierten französischen Gerichte verstand selbst Paula nicht. »Lass uns doch woanders hingehen, Papa. Das hat hier keinen Sinn. Und ist viel zu teuer«, versuchte Paula einzulenken. »Jetzt hör mir mal gut zu, liebe Tochter. Wir sind den ganzen Tag durch diese Stadt gelatscht – deinetwegen! Du wolltest ein Jahr lang Eiffelturm statt Fernsehturm. Schön und gut, aber meine Füße haben jetzt mehr Blasen als Zehen und ich einen Mordshunger! Wir bleiben hier, verstanden?!« »Manni, die Nachbarn gucken schon, nicht so laut«, ermahnte Eva ihren Göttergatten. »Und Paula gibt sich doch alle Mühe.« »Davon werde ich auch nicht satt!«, zeterte der hungrige Manni zurück. »Gut, dann bestell du doch alles, Besserwisser! Mir reicht’s, ich sage jetzt gar nichts mehr«, gab Paula ihrem Vater zu verstehen und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Gar kein Problem«, behauptete Manni und winkte den Kellner herbei. » Please, hm, for entrée we take foie gras, one for all. « (Als Vorspeise nehmen wir foie gras , eine für alle.) Das kannte Manni jetzt, da konnte nichts mehr schiefgehen. » For all of you? «, fragte der Kellner etwas irritiert nach. » Oui, please! « Kurz darauf stand ein großer weißer Teller mit einem Klecks Entenleberpastete in der Mitte vor ihnen, dazu ein kleiner Brotkorb. »Warum hast du denn nur eins bestellt?«, wollte Eva von Manni wissen. »Ist doch nur die Vorspeise und teuer genug«, schmatzte Manni und bestrich sich das zweite Stückchen Baguette mit Pastete. Eva, Paula und Anton mussten sich mit einem winzigen Rest begnügen.
Die Stimmung wurde allmählich etwas angespannt. »Ich habe Hunger, Papa!«, verkündete Anton laut und genervt. »Also, was wollt ihr essen?« »Fleisch!«, tönte Anton. »Gemüse!«, rief Eva. »Und für mich bitte eine Suppe!«, setzte Paula hinzu. »Mehr nicht?!« Manni war beleidigt. Doch Paula hatte die Preise nur kurz überflogen, sie waren in einem absoluten Edelschuppen gelandet und es galt, die Gesamtrechnung zu reduzieren. Sie opferte sich also.
Die Tische drum herum wurden spätestens jetzt auf die Touristenfamilie aufmerksam. Das gediegene Miteinander im beschaulich-hübschen »La Provence« schien ein wenig gestört. Warum konnten diese Touristen nicht einfach in einem Touristenlokal speisen? Das schien auch dem Kellner auf die Stirn geschrieben, der nun herbeieilte, um die Bestellung aufzunehmen. » Alors, what do you want? « » Nous voulons meat for the two men « (Wir wollen Fleisch für die beiden Männer), Manni machte eine komplizenhafte Geste in Antons Richtung, » legumes for my wife and terrine for my daughter « (Gemüse für meine Frau und Terrine für meine Tochter). Paula spürte deutlich, wie es immer leiser um sie herum wurde. An allen Tischen waren die Gespräche verstummt und man starrte hinüber zu den Fischers. Manni hatte ein nicht ignorierbares Organ. » Ach, and, pardon, une grande bière for me and a bottle of red wine. And water, please. Merci beaucoup, garçon! « (Und ein großes Bier für mich, eine Flasche Rotwein und Wasser. Vielen
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