Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
Babys und Kleinkindern Popel aus der Nase ziehen. › Merci ‹, sagte ich freundlich und versuchte, höflich zu bleiben. › Je n’ai pas besoin d’un mouche-bébé. ‹ (Vielen Dank, aber ich brauche kein mouche-bébé ). Die Apothekerin ließ das nicht gelten. › Mais tous les enfants en France ont un mouche-bébé. C’est vraiment pratique! ‹ (Aber alle Kinder in Frankreich haben ein mouche-bébé . Das ist wirklich praktisch!) Sie schaute jetzt Verständnis heischend zu meiner Schwiegermutter, die bestätigend nickte. Ich merkte, wie sich unterschwellig Wut in mir aufbaute: Da hatte meine Tochter Durchfall und Bronchitis und man versuchte mir mit allen Mitteln, einen Haufen Plastik zur Nasenpopelentfernung zu verkaufen. › J’avais eu un mouche-bébé, mais je l’ai jeté à la poubelle. ‹ (Ich hatte so ein Ding und habe es in den Mülleimer geworfen.) Ich hoffte, dass das Thema damit erledigt war. Doch weit gefehlt! › C’est dommage, parce qu’il n’y a pas mieux. ‹ (Das ist schade, denn es gibt nichts Besseres.) Wieder schaute sie meine Schwiegermutter an, als suche sie Hilfe, und meine Schwiegermutter wiederum schaute mich an, als sei ich ein kleines bockiges Kind. › Ma pédiatre disait que ce n’était pas bien de l’utiliser. ‹ (Meine Kinderärztin hat mir von dem Gebrauch abgeraten, das sei sehr unangenehm fürs Kind.) Das stimmte auch! Wir hatten so eine ähnliche Vorrichtung, ohne Schlauch und den ganzen Klimbim, aber vom Prinzip her dasselbe. Meine Kinderärztin in Deutschland zeigte mir, wie man Nasenschleim ausstreichen kann, indem man mit den Fingern von der Stirn die Nase des Kindes bis nach unten gleitet. Das mal am Rande bemerkt. Die Apothekerin fühlte sich jetzt anscheinend in ihrer Apothekerinnenehre gekränkt. Während sie ihre Freundlichkeit noch steigerte, wurde ich immer unfreundlicher und ungeduldiger. › Peut-être ‹, sagte ich gereizt, › mais je ne suis pas Française, alors ... ‹ (Vielleicht, aber ich bin keine Französin, also ...) Darauf hatte die Dame im Kittel nur gewartet, schließlich hatte sie schon an meinem Akzent gehört, dass ich keine Französin war. › Ah, vous n’êtes pas Française, alors, vous venez d’où? ‹ (Ah, Sie sind keine Französin. Woher kommen Sie denn?) Meine Schwiegermutter lächelte. › D’Allemagne ‹ (aus Deutschland), antwortete sie stellvertretend für mich. Es klang wie eine Entschuldigung. › Ah, d’Allemagne ‹, antwortete die Apothekerin hocherfreut. › Ça m’étonne! Vous êtes tellement naturelles et bio là-bas. Et vous aimez les choses simples. Ça m’étonne vraiment que vous n’aimez pas le mouche-bébé en Allemagne. ‹ (Das wundert mich! Sie sind doch derart natürlich und auf Bio bedacht da drüben. Und Sie mögen doch einfache Dinge. Es wundert mich wirklich, dass Sie da nicht auch den mouche-bébé lieben.) Aus diesem Satz sprach hinter der freundlichen Fassade eine derartige Überheblichkeit, dass mir der Kragen platzte: › Ça me fait vraiment chier que vous essayez de me vendre ce truc en plastique et je dis que je ne le veux pas! J’ai besoin de quelque chose contre la bronchite, un sirop. ‹ (Es kotzt mich an, dass sie mir hier die ganze Zeit etwas zu verkaufen versuchen, was ich nicht haben will! Ich brauche etwas gegen Bronchitis, einen Saft, und keinen Plastikschlauch gegen Babypopel!)
Jetzt fühlte ich mich besser, auch wenn mir noch mehr Mitleid und Ablehnung entgegenschwappten. Ich ahnte, dass ich den Kampf gegen die Apothekerin schon lange verloren hatte. Meine Schwiegermutter und die Apothekerin wechselten jetzt auch schweigende Blicke und die Apothekerin antwortete ebenso freundlich wie zuvor: › En France, c’est interdit de vendre du sirop pour les bébés. Ça ne se fait plus. ‹ (In Frankreich sind mittlerweile alle Hustensäfte für Säuglinge und Kleinkinder vom Markt genommen worden. Die dürfen nicht mehr verkauft werden.) Ausgerechnet Hustensaft! Das nahmen doch alle Kinder, da gab’s doch rein pflanzlichen. Diese Apothekerin tat ja gerade so, als ob der Rest der Welt in Dummheit verkam! › Nous, on vend les suppositoires contre le mal à la gorge. ‹ (Wir hier in Frankreich verkaufen Zäpfchen gegen Halsschmerzen.) Aha, Zäpfchen gegen Halsschmerzen, das hatte ich auch noch nie gehört. ›Okay‹, sagte ich, ›geben Sie mir diese Zäpfchen und welche gegen Fieber.‹ Ich wollte hier bloß noch raus. Denn gegen diese Waffen der Freundlichkeit kam ich ja
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