Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
überreicht. Ansonsten hatte Paula stundenlang mit Freunden zusammen gesessen und ihnen von der französischen Etikette berichtet – wie man zu sein hat, was man nicht machen darf und den ganzen Quatsch. Sie hatten gemeinsam darüber lachen können, waren tanzen gegangen und Paula war an Silvester sogar erst um vier Uhr morgens nach Hause gekommen. Keiner hatte sich aufgeregt, sondern sie hatten alle gemeinsam ausgiebig gefrühstückt und die Wünsche für das neue Jahr besprochen. Es war fast ein wenig merkwürdig, jetzt wieder hier in Paris zu sein, so als sei nichts geschehen. Doch innerlich hatte Paula sich ein wenig distanziert und sagte sich: Du musst dich nicht mit allem anfreunden, Hauptsache du hast auch ein bisschen Spaß bei der ganzen Sache. Und schon veränderten sich die Dinge um sie herum.
Als Paula in ihr französisches Zuhause kam, bemerkte sie die lustige Stimmung der Bouchards, und fast wollte sie fragen, warum denn auf einmal alle so gut gelaunt seien, doch das würde man bestimmt als Affront verstehen – willst du etwa sagen, dass wir sonst nicht gut gelaunt sind ... Paula schwieg lieber und wunderte sich, als sogar der sonst so schweigsame Bernard beim Abendessen Witze machte, mit denen er seine Kinder und seine Frau zum Lachen brachte, die tatsächlich einen kleinen Schwips hatte, wie Paula bemerkte. Alle beeilten sich beim Essen, sodass es diesmal keine zwei Stunden dauerte, bis sie zur Nachspeise kamen, und plötzlich rief Bernard: » La galette des rois, où est la galette?! « (Der Königskuchen, wo ist der Kuchen?!) Und die Kinder stimmten ein. Claudine ließ nicht lange mit dem Kuchen auf sich warten. Er sah sehr lecker aus, aber auch nicht außergewöhnlich, ein Haufen Blätterteig, dachte Paula. » Alors, c’est qui cette année? « (Also, wer ist dieses Jahr dran?), fragte Claudine belustigt. » Mais c’est clair « (Aber das ist doch eindeutig), sagte Bernard, » c’est Paula! « (es ist Paula!) » Oui «, stimmten Stéphane und Marie sofort zu, » c’est à Paula! « (Paula ist an der Reihe!) Paula wurde aus ihren Gedanken gerissen und schaute irritiert von einem Gesicht zum anderen. Was war denn jetzt schon wieder los? » Quoi? « (Was?), fragte sie leicht verängstigt. » Alors, c’est très facile « (Also, das ist ganz einfach), begann Marie. » Tu te caches sous la table et Maman te demande pour qui sera le gâteau, et toi, tu réponds « (Du versteckst dich unter dem Tisch und Mama fragt dich, für wen das nächste Stück Kuchen ist, und du antwortest), ergänzte Stéphane. Paula verstand die Welt nicht mehr. Sie sollte unter den Tisch krabbeln? Waren die jetzt von allen guten Geistern verlassen oder wollten sie sich unbarmherzig über sie lustig machen? Paula schüttelte den Kopf. » Non, je ne vais pas sous la table « (Nein, ich gehe nicht unter den Tisch), sagte sie bestimmt. » Mais Paula! « (Aber Paula!), riefen alle Bouchards auf einmal und redeten auf sie ein. Paula war wie erstarrt und ließ sich schließlich einfach von Marie und Stéphane unter den Tisch schieben. Da hockte sie nun. » Alors, je coupe un morceau de la galette des rois. ROUDOUDOU, pour qui est ce morceau-là? « (Also, ich schneide ein Stück Kuchen von dem Königskuchen. Roudoudou , für wen ist dieses Stück?), fragte Claudine. Paula überlegte: War das jetzt ein Trick, um ihre Erziehung zu testen? Konnte sie jetzt etwas falsch machen? » Pour Bernard « (Für Bernard), antwortete sie. Der Herr des Hauses kam zuerst, das konnte nicht verkehrt sein. » Bon, et le deuxième, c’est un grand morceau. ROUDOUDOU, pour qui est ce morceau-là? « (Gut, das zweite Stück ist ein großes Stück. Roudoudou, für wen ist dieses Stück Kuchen hier?) » C’est pour vous, Claudine « (Das ist für Sie, Claudine), antwortete Paula schnell. » Mais c’est trop pour moi « (Aber das ist viel zu groß für mich), entgegnete die Dame des Hauses mit der Filmstarfigur. Doch die anderen klatschten: » Allez, Claudine! « (Los, Claudine!) Das zweite Stück schien auf Claudines Teller zu landen. Dann waren Stéphane und Marie an der Reihe und schließlich nannte Paula sich selbst am Schluss. Die Teller waren gefüllt und Paula durfte wieder unter dem Tisch hervorkommen. Man aß und alle starrten dabei auf ihr Kuchenstück, als würde dort gleich ein Geist aus dem Marzipanteig springen. Paula fand das alles ziemlich albern und überlegte fieberhaft, ob die anderen sich abgesprochen hatten, um sich über sie
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