Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
gestört fühlen kann und dass dieser Gast das auch noch so direkt äußert und Änderung verlangt. Eigentlich, könnten die Gastgeber denken, ist das fast so, als verlangte Lena von ihnen, dass sie einen guten Bekannten aus der Wohnung weisen.
Was können Sie besser machen?
Um es noch mal auf einen Blick zu haben, die Reihenfolge bei jedem Essen ist folgende: aperitivo – primer plato (erster Gang/Vorspeise) – segundo plato (zweiter Gang/Hauptspeise) – postre (Nachspeise: Süßes oder Fruchtiges) – als Abschluss café und eventuell eine copita (Digestif oder »Verdauungsschnäpschen«). Käse wird übrigens nicht nach dem Essen gereicht, wie in Frankreich, sondern wenn, dann als Vorspeise oder, ebenfalls sehr beliebt, als Tapa. (Siehe Wissenskasten »Spanische Käsesorten« in Kapitel 23.)
Ein »kaltes« Abendessen einzunehmen, wie in vielen Gegenden bei uns das typisch deutsche »Abendbrot«, ist in Spanien ganz unüblich. Kalt kann allenfalls der 1. Gang sein, eine Vorspeise mit Käse oder Schinken, oder etwa ein gazpacho [gath pa tscho], eine gekühlte Gemüsesuppe aus Andalusien, die im Sommer sehr erfrischend ist. Sie kommt aus dem Kühlschrank. Der Hauptgang dagegen ist immer warm.
Zum Kaffee gibt es traditionell »geistige« Getränke wie Cognac, Brandy, ein Schnäpschen oder Likör, eventuell auch einen Süßwein, z.B. den bekannten Málaga-Wein. Bier gibt es entweder vor dem Essen, als Aperitif, oder zum Essen, wenn man keinen Wein trinken möchte. Aber nie nach dem Essen! Das ist für Spanier wahrscheinlich Barbarei. Spanier würden sich auch über die (Un-)Sitte in manchen deutschen Haushalten sehr wundern, zum Essen Wasser, Bier oder Limonade zu trinken und erst hinterher Wein zu Chips und Knabbereien zu reichen. Wein trinkt man in Spanien ausschließlich zum Essen. Aber auf keinen Fall Sangría! Sangría wird zwar mit Wein zubereitet, gilt aber als sommerliches Nachmittagsgetränk, im weitesten Sinn als Aperitif. Wir kämen ja auch nicht auf die Idee, Punsch oder Bowle zum Mittagessen zu servieren.
Sangría & Co.
Sangría, wegen seiner Farbe übrigens vom spanischen Wort sangre (Blut) abgeleitet, ist mittlerweile schon eher ein typisch deutsches als ein typisch spanisches Getränk, vor allem in der bei uns bekannten Form mit viel Alkohol, vielen Früchten und in großen Mengen. Stichwort »Eimersaufen« mit Strohhalmen. Das gibt es in Spanien nur in Touristenlokalen oder auf dem Ballermann. Im übrigen Spanien ist die Sangría ein mit Fruchtsaft verdünnter Wein, der an heißen Sommerabenden als schwach alkoholischer Aperitif getrunken wird. Manchmal auch mit einigen wenigen Orangen-, Pfirsich- oder anderen Obststücken.
Was die wenigsten wissen: Die Bezeichnung »Ballermann« ist eine Verballhornung des spanischen Namens für einen Strandabschnitt auf der Platja (Playa) de Palma auf Mallorca. Er heißt: Baleneario número seis . Aus balneario (Strandbad) haben die guiris , die deutschen Touristen, kurzerhand den »Ballermann« kreiert.
Wenn es unbedingt ein Mischgetränk sein muss, könnte es ein tinto de verano , ein Sommerrotwein gemischt mit Zitronenlimonade, sein. Im Lokal bekommen Sie beide Getränke meist separat serviert und können selbst das Mischungsverhältnis festlegen. Eiswürfel dürfen im Glas nicht fehlen. Auch der tinto de verano wird in Spanien nicht zum , sondern vor dem Essen, als Aperitif, getrunken.
Das dritte bekannte Mischmaschgetränke ist der calimocho , gesprochen [kali mo tscho]. Er ist eine Erfindung der Basken und heißt im Baskenland kalimotxo , genauso gesprochen wie die spanische Fassung. Der calimocho wird gemischt aus vino tinto (Rotwein) und Cola.
Dass in den Mischgetränken nicht der beste Rotwein verbraten wird, versteht sich von selbst. Aber: Hay gustos para todo , wie die Spanier sagen – es gibt Geschmäcker für alles.
Und stören Sie sich nicht an den laufenden Fernsehern. Sie werden überall auf sie treffen: in Bars, Cafés, Kneipen und eben auch in den Privathaushalten. Die meisten Familien schauen z.B. zum Abendessen das telediario , die spanischen Fernsehnachrichten, die um 21 Uhr beginnen. Das heißt aber nicht, dass es deswegen keine Unterhaltungen bei Tisch gäbe. Ganz im Gegenteil. Unterhaltungen sind in Spanien ja generell lebhafter und lauter als etwa bei uns. Dass der Fernseher dazu auch noch mit ein paar Dezibel beiträgt, wird eher als anregend denn als störend empfunden. Fernseher sind in Spanien überall präsent,
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