Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
Deutschland und Spanien mit 24.000 bzw. 22.000 Studenten. Beachtlich für Spanien, das ja nur halb so viele Einwohner wie Deutschland hat. Und wo gehen die deutschen Studenten bevorzugt hin? Nach Spanien! Und die spanischen Studenten? Für sie steht Deutschland nur an dritter Stelle, nach Italien (Platz eins) und Frankreich.
Estugard & Co. – »Hispanisierung« von Wörtern aus anderen Sprachen
Spanier neigen dazu, fremdsprachige Begriffe, auch Ortsbezeichnungen, zu »hispanisieren«, also ins Spanische zu übersetzen oder zumindest von der Aussprache her an die eigene Sprache anzupassen. Und da Spanier kein »st« am Wortanfang sprechen können, wird hier der Vokal »e« vorausgeschickt: Estugard . Ebenso wie bei estrés (Stress), estándar (Standard), estilo (Stil) oder Estéban (Stefan) etc.
Für manche deutschen Städte und für die deutschen Bundesländer gibt es eigene spanische Bezeichnungen: Múnich [ mu nitsch] (München), Núremberg (Nürnberg), Colonia (Köln) oder Sajonia [sa cho nia] (Sachsen), Turingia [tu rin chia] (Thüringen), Baviera (Bayern), Renania del Norte Westfalia (NRW), Mecklemburgo Antepomerania (Mecklenburg Vorpommern) etc.
Kaum hatte Felipe angefangen zu erzählen, als ihn auch schon einer am Tisch unterbrach und fragte, ob er denn auch chucrut [tschu krut ], Sauerkraut, probiert habe in Deutschland. Worauf sich eine Debatte über deutsches Essen, Bier in Litergefäßen und so weiter entspann. Lena fragte sich, ob sie die einzige war, die wirklich hören wollte, was Felipe über seinen Aufenthalt in ihrem Land zu erzählen hatte. Alle schrien durcheinander. Lena konnte sich gar nicht mehr konzentrieren und fand die anderen am Tisch ziemlich unhöflich. Langsam kam sie zu der Überzeugung, dass Spanier einfach lieber sich selbst reden hören und nicht zuhören können. Aber als sie Abi fragte, warum denn keiner den armen Felipe so richtig ausreden ließe und sich niemand wirklich für ihn interessiere, fiel Abi aus allen Wolken. Wie sie denn darauf käme. »Na, sie unterbrechen ihn doch andauernd und reden ständig dazwischen, wenn er erzählt!«
»Was?«, ruft Abi. Sie hat Lena nicht verstanden. Es ist einfach viel zu laut hier. Lena gibt es auf und bestellt sich noch ein Bier.
Je später es wird, desto anstrengender ist es für Lena, mit der lebhaften, temperamentvollen Art ihrer spanischen Freunde mitzuhalten. Und der Abend wird noch sehr lang werden, denn nach diversen Kneipen landet die Clique gegen zwei Uhr morgens nicht im Bett, sondern in der Disko, wo eigentlich erst nach Mitternacht die Post abgeht. Um vier Uhr ist aber dann bei Lena endgültig Schluss. Sie ist einmal mehr der Abklatsch einer spritzigen Zuhörerin, sondern nur noch müde und außerdem ein wenig beschwipst. Sie würde zwar den Weg nach Hause allein finden, aber Abi besteht darauf, sie zu begleiten, und so kommen sie spät, aber doch gut und sicher nach Hause. Lena wundert sich, dass sie, bei all dem Alkohol, den die Leute trinken, keinem einzigen Betrunkenen begegnen. Wie machen die Spanier das eigentlich, bei den vielen copas im Laufe eines Abends? Das will sie am nächsten Tag unbedingt Abi oder Benito fragen. Jetzt ist sie einfach zu müde dazu.
Was ist da schiefgelaufen?
Während es Lena sehr schwer fällt, einer Kommunikation zu folgen, die von Unterbrechungen und »Störungen« lebt, vom Einbringen eigener Meinungen und Erfahrungen, noch bevor der Erzählende zu Ende gesprochen hat, von gegenseitigem Sich-Übertrumpfen und Hochschaukeln, wird ihr eigenes, in vielen Jahren antrainiertes Sozialverhalten – Zuhören und Ausreden lassen – als Desinteresse interpretiert. Abi denkt, Lena hat schlechte Laune, weil sie sich nicht in derselben Art und Weise lautstark in die Unterhaltung einbringt, wie ihre spanischen Freunde das tun.
»Die hören aber doch gar nicht richtig zu«, behauptet Lena.
»Stimmt nicht«, sagt Abi. »Gerade dadurch, dass sie unterbrechen und ihre eigenen Erfahrungen zum Thema einbringen, zeigen sie doch, dass sie voll dabei sind und Anteil nehmen an dem, was Felipe erzählt. Man muss dem anderen doch zeigen, dass man ihm zuhört.«
»Und das macht man, wenn man laut dazwischenquatscht, mitredet, Witze macht, anzweifelt, ob derjenige, der erzählt, auch die Wahrheit sagt und so weiter?« »Ja, genau«, sagt Abi. »Wenn ich dir etwas erzähle, und du sagst nicht muh und nicht mäh, dann weiß ich doch gar nicht, ob du mir zuhörst, ob es dich interessiert, was ich erzähle,
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