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Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt

Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt

Titel: Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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köstlichen vieiras [ bjäi ras] herfallen, nimmt Lena noch ein Stück Weißbrot und tunkt es in die Soße. Sie macht Abi ein Zeichen, das soviel bedeutet wie »willst du nicht meine Muscheln haben?«. Aber Abi wehrt ab. »Die musst du unbedingt probieren, Lena.« Das Rezept ihrer Mutter sei stadtbekannt. »Bei den vieiras kann Mami es mit allen Haubenköchen aus Katalonien oder dem Baskenland aufnehmen.« Na gut. Lena tunkt wieder ein Stück Brot in die Soße ein. Es ist nun das dritte. Als Charo aus der Küche kommt, um die Vorspeisenteller abzuholen, wird sie von ihren Gästen mit so viel Lob überhäuft, dass es fast schon peinlich ist. Auf Lenas Teller fehlt außer ein bisschen Soße nichts. »Willst du nicht wenigstens einen Bissen probieren? Wer weiß, vielleicht schmeckt es dir am Ende ja doch noch.« Doch Lena schüttelt den Kopf. Sie möchte einfach keine Muscheln essen. Sie habe noch nie welche gegessen. »Wenigstens probieren«, ermuntert Abi sie. Als Lena hart bleibt, nimmt Charo ihren Teller mit in die Küche. »Hoffentlich schmeckt unserem Gast wenigstens der nächste Gang«, versucht Luis zu scherzen. »Lass aber die Muscheln weg, Charo, oder versteck sie im Reis, damit Lena sie nicht sieht.« Doch Charo kann nicht so richtig mitlachen, man sieht ihr ihren Kummer an. Beim nächsten Gang übernehmen Luis und Abi das Servieren.
    Was ist schiefgelaufen?
    Zunächst hat Lena sich in der Zeitplanung etwas verschätzt. Das Mittagessen wird ja sowieso sehr spät eingenommen in Spanien, wir würden das gar nicht mehr Mittag, sondern mitten am Nachmittag nennen. Lena kam hungrig wie ein Wolf an und dachte, es ginge sofort los mit dem Essen, sobald sie sich die Hände gewaschen hätte. Da hat sie sich geirrt.
    Dass sie ihre Gastgeber Luis und Charo dann auch noch in größte Verlegenheit brachte, weil sie in der Diele ihre Schuhe ausgezogen und Muster und Tragezustand ihrer Ringelsocken der allgemeinen Anschauung preisgegeben hat, war ihr überhaupt nicht bewusst. In ihren Augen wäre es unhöflich gewesen, die Schuhe anzubehalten und den Straßenstaub über alle Teppiche zu verteilen.
    Dass sie dann auch noch den von Luis mit Bedacht und extra für diese Gelegenheit ausgesuchten Spitzenwein verschmähte, war schon fast eine Kränkung des Gastgebers. Und die Jakobsmuscheln? Tja, damit war der Tritt in den Fettnapf perfekt.
    Was können Sie besser machen?
    Was Sie in Spanien nicht machen sollten, egal, ob es stürmt oder schneit, regnet oder trocken und staubig ist: Ziehen Sie nie am Haus- oder Wohnungseingang Ihre Schuhe aus, denn man wird Sie für einen Außerirdischen halten. Ein barfüßiger oder bestrumpfter Gast ist in Spanien ein unvorstellbares Ereignis, das nichts als Entrüstung und Kopfschütteln auslösen kann. Man würde diese Art der Entblößung nie von einem Gast verlangen. Denn stellen Sie sich die ungeheure Peinlichkeit vor, wenn der Gast ein Loch im Socken oder gar zwei verschiedenfarbige Strümpfe erwischt hätte. Dieser Lächerlichkeit soll niemand ausgesetzt werden. Das gilt übrigens auch anders herum: In Ihrem Haus sollten Sie spanische Gäste auf keinen Fall dazu auffordern, die Schuhe auszuziehen. Das gehört sich in Spanien einfach nicht.
    Bei einer privaten Einladung gibt es das Mittagessen selten vor 15 Uhr, darauf sollten Sie vorbereitet sein. Das gilt auch, wenn Sie für 14 Uhr eingeladen wurden. Sehr hungrig ankommen und denken, das Essen wird serviert, sobald man den Fuß in das Haus oder die Wohnung gesetzt hat, muss fast schiefgehen. Man trifft sich eigentlich immer vorher an einem anderen Ort als dem Esszimmer, meist ist es der salón , manchmal auch die terraza . Dort pflegt man ein bisschen Konversation und stimmt sich mit einem Aperitif auf das bevorstehende Essen ein. Das gehört zu einem gepflegten mehrgängigen Menü einfach dazu. Man trinkt selbstverständlich nicht viel, ein Gläschen trockenen Sherry, Wermut oder Martini, nicht mehr. Außerdem muss man ja mit dem Essen auf alle eingeladenen Gäste warten. Und da die gerne eine Viertel- bis halbe Stunde zu spät kommen, kann sich der Aperitif also schon einmal auf eine Stunde ausdehnen.
    Bevor man mit dem Essen beginnt, wartet man, bis alle Personen am Tisch ihren Teller vor sich stehen haben. Beim Trinken gilt das nicht. Sie können trinken, sobald Ihr Glas eingeschenkt ist und müssen nicht auf die anderen Gäste warten. Auch Anstoßen und Zuprosten ist nicht üblich. Ein Toast wird nur zu besonderen Gelegenheiten,

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