Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
denkt Lena, da sind sie jetzt wieder unbedingt tolerant anderen Leuten und Lebensweisen gegenüber, Lärm und Dreck inklusive. Motto: leben und leben lassen. Man mischt sich einfach nicht ein, fühlt sich nicht berufen, anderen Menschen Manieren beizubringen. Siedend heiß fällt Lena die unschöne Situation ein, als sie selbst anlässlich des Brunchs in ihrer Wohngemeinschaft den anderen beibringen wollte, doch öfter mal »bitte« oder »danke« zu sagen. Es treibt ihr die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie nur daran denkt.
»Na, na, chica . So musst du dich wegen der Schimpfwörter jetzt auch nicht schämen«, meint Rafa, »daran sind nur wir Schuld, denn du kannst sie ja nur bei uns gelernt haben. Wahrscheinlich war es die Hitze, dazu der Lärm und der Staub, die dich so aus der Fassung gebracht haben.«
Gemeinsam packen sie die nunmehr in eine dicke Staubschicht eingehüllten Utensilien in den Kofferraum und fahren zurück auf die carretera , die gepflegte Landstraße. Die Klimaanlage brummt.
»Wie weit ist es denn bis Ji..., Ji...?«
Den Namen der Stadt können Sie gut als Ausspracheübung benutzen: Sprechen Sie in Jijona [chi cho na] zwei Mal das »j« wie »ch« in dem deutschen Wort »ach« (also im Rachen kratzend), nicht weich wie in »ich«. Das ist die korrekte spanische Aussprache.
»Jijona meinst du? Ein Katzensprung. Ist auch gut so, denn ich brauche dringend einen Kaffee. Also fahren wir, ¡vamos! «
Wie eine Fata Morgana tauchen die weißen Häuser der Kleinstadt über der Hitzespiegelung auf. Zuerst in die Bar, natürlich. Denn dort wacht das Leben wieder auf. Der Fernseher läuft und hat einen Extra-Riesenbildschirm, auf dem natürlich Fußball gezeigt wird, und die Spielautomaten in der Ecke kollern wie eine Schar Truthähne. Die Zivilisation hat sie wieder.
» ¿Tres cafés? «, fragt Rafa. »Oder beliebt die alemanita mal wieder einen café con leche zu trinken, mitten am Nachmittag?«
»Sie beliebt«, antwortet Lena. Diese deutsche Angewohnheit lässt sie sich einfach nicht nehmen. Das Schlückchen Kaffee, das in einer Espressotasse Platz hat, ist ihr zu wenig Flüssigkeit und außerdem zu stark.
» ¿Dos cafés y uno con leche? «, ruft der Kellner an der Kaffeemaschine.
Sí.
Exkurs: Wann trinkt man in Spanien welchen Kaffee?
Lena weiß schon, dass Spanier allenfalls zum Frühstück Milchkaffee trinken, sonst immer café solo , Espresso, schwarz, mit Zucker. Vormittags, nach dem Essen, am Nachmittag, am Abend, nach dem Abendessen. Ein café nach dem Essen muss auf jeden Fall sein. Bei vielen kommen über den Tag verteilt sehr viele cafés zusammen, aber Espresso ist ja gut bekömmlich. Lena hat es aufgegeben mitzuzählen. Sätze wie »ich vertrage keinen Kaffee« und »um diese Uhrzeit nicht mehr« hat sie fast schon vergessen. Die kennt sie nur aus Deutschland. In Spanien können immer alle zu jeder Tages- und Nachtzeit Kaffee trinken.
Für die zarteren Mägen gibt es den ( café ) cortado , das ist ein Espresso mit einem Schuss Milch. Diese Gewohnheit hat Lena hauptsächlich bei Frauen gesehen. Und das Milchkaffeetrinken tagsüber nur bei Ausländern. Als schlimmste aller Sünden hat ihr ein Bekannter die Angewohnheit mancher guiris , also ausländischer Touristen, geschildert, nach dem Essen (!) einen café con leche zu bestellen. Der Bekannte erzählte, in dem Fall, den er selbst beobachtet hat, habe der Kellner doch einen café solo gebracht, weil er dachte, er habe sich verhört oder der Gast habe aus Versehen den falschen Kaffee bestellt. (Siehe die »Kleine Kaffeekunde« in Kapitel 2.)
Ja, und so einen bestellt nun auch Lena in schönster Ausländermanier. Sie hätte auch gern ein Stück Kuchen dazu gehabt, aber dazu hätte sie zuerst eine pastelería suchen müssen, eine Konditorei. Und dann wären ihre Freunde wahrscheinlich gar nicht mit reingegangen, weil für sie café tatsächlich nur Kaffee bedeutet, ohne irgendetwas dazu. Einzige »Beilage« zum Kaffee war in früheren Zeiten die Zigarette. Legendär die spanischen Ducados – starker schwarzer Tabak in weiß-blauer Verpackung. Aber nun herrscht auch in Spanien Rauchverbot in den meisten Bars, auch wenn es nicht immer so streng eingehalten wird wie es im Gesetz formuliert ist.
Als 2006 das neue Anti-Raucher-Gesetz in Spanien eingeführt wurde, schrieb der Spiegel, nun würde auch das »Raucherabteil Europas« geschlossen. Bis dahin war jeder dritte Einwohner Spaniens Raucher bzw. Raucherin. Die Zigaretten
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