Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
macht.«
»Ja, eben. Dann gehst du heim und bekommst bei mir ein Menü serviert. Jetzt komm schon. Nur ein einziges Mal. Okay?«
»Okay.« Rafa sagt zu, dazu noch Abi und Trini und Diego, ein Andalusier, den Lena vor Kurzem auf einer Party kennengelernt hat.
Kurz vor acht ist alles fertig. Lore und Heinrich sitzen schon am gedeckten Tisch.
»Jetzt könnten deine Gäste aber langsam kommen«, sagt Heinrich. »Oder stimmt es, dass die Spanier es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmen?«
»Es stimmt, Spanier haben ein bisschen anderes Zeitkonzept«, meint Lena. »Aber ihr könnt ja schon mal mit dem Salat anfangen und ein bisschen Brot dazu essen, gegen den ärgsten Hunger.«
»Ja, wie viel zu spät kommen die denn?«, fragt Lore.
»Zehn Minuten? Eine Viertelstunde? Wir werden es ja sehen.«
»Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige«, zitiert Heinrich.
Die ersten Gäste kommen doch fast 30 Minuten zu spät. Lena stellt den Freunden ihre Eltern vor, ganz offiziell, und die Spanier sagen, sie seien encatados (sehr erfreut), ihre Bekanntschaft zu machen.
Das Seehechtfilet ( merluza ) ist kurz vor dem Zerfall. Deshalb serviert Lena kurzerhand den Hauptgang zusammen mit dem Salat.
»Gibt’s gar keine patatas fritas (Pommes frites) dazu?«, fragt Rafa.
»Also ich find ja diese Mittelmeerdiät großartig«, sagt Lore. »Ich könnt jeden Tag Fisch und Salat essen.«
Rafa sagt, er liebe auch Fisch, genau wie hamburguesas und pizza ...
Tatsache ist, dass die comida rápida (Fast Food) auch Spanien erobert hat. Seit die traditionellen Familienstrukturen immer weniger existieren, wird auch weniger Zeit in den Einkauf und die Zubereitung frischer Speisen investiert. Auf den Tisch kommt, was preiswert ist und schnell geht, und das ist oft zu fett. 20 % aller spanischen Kinder sind heute schon zu dick, weil sie zu viel Pommes, Pizza, Hamburger und Hot Dogs ( perritos calientes ) essen.
Sehr lustig. Vielleicht meint er das sogar ernst, denkt Lena.
Auch bei der Nachspeise, die aus verschiedenen Obstsorten besteht, gibt es lange Gesichter bei den Spaniern. Ob sie nicht noch etwas Süßes hätte, fragt Abi. So viel zum Thema Mittelmeerdiät, denkt sich Lena und ist froh, dass ihre Eltern längst nicht alles verstehen, was gesprochen wird. Da klingelt es.
»Oh, das wird Diego sein.« Lena öffnet und strahlt ihren Gast an. Er bringt ein verschnürtes Päckchen mit Leckereien aus der Konditorei mit. Endlich etwas Süßes! Lena stellt ihren Freund Diego vor.
¿Es tu amigo o tu novio? , fragt Abi. »Freund« oder »fester Freund«? Das ist Lena jetzt ein bisschen peinlich. Diego sagt: » Somos amigos. « Und dazu macht Lena nun doch kein glückliches Gesicht.
»Um was geht’s denn?«, fragt Lore. » Amigo hab ich ja verstanden, aber was is denn novio ?«
»Ist das nicht der Verlobte oder der Bräutigam?«, fragt Heinrich, der schon mal zwei Semester Spanisch an der VHS in Frankfurt-Seckbach besucht hat.
Amigos hat man viele. Novio hat man nur einen. Damit ist der feste Freund gemeint (die feste Freundin heißt novia ) oder der Verlobte, der irgendwann auch ein Bräutigam werden kann, aber nicht muss. Andere Bezeichnungen für den Partner sind compañero (Gefährte), compañero sentimental (Lebensgefährte) oder media naranja [ me dia na ran cha] (wörtlich: halbe Orange), womit so etwas wie die »bessere Hälfte« gemeint ist.
Diego erzählt, dass er gerade aus Mallorca zurückkommt, wo er den August über in der Gastronomie gearbeitet hat, um sein Studium zu finanzieren.
»In Palma waren wir auch schon mal«, erzählt Lore. »Sind aber schon sehr viele Deutsche da. Des is fast wie daheim. In den Hotels sind die Deutschen ja so gut wie unter sich.«
»Und die spanischen Royals, die verbringen doch ihre Sommerferien auch immer auf Malle«, sagt Heinrich. »Die waren dieses Jahr auch wieder beim Stierkampf, obwohl der doch gerade von der Regierung verboten worden ist.«
»Aber nur in Katalonien, sagt Abi, »nicht in ganz Spanien.«
»Ich find Stierkampf ja total grausam«, sagt Lore. »Ich weiß gar ned, wie man sich des überhaupt angucken kann. Schlimm!«
»Das ist eben noch ein ganz archaischer Brauch«, meint ihr Mann.
»Ach was, Brauch! Tierquälerei is des!«
»Viel schlimmer finde ich ja dieses Königshaus«, setzt Heinrich noch eins drauf. »Für mich sind das ja alles Schmarotzer. Jetzt hat sich Spanien doch von der Diktatur erholt und ist ein endlich europäisches Land geworden. Wozu
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