Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
des größten Stadtparks vor, zum estanque , einem künstlichen kleinen See, auf dem bereits einige Verliebte und Touristen sich auf Ruderbooten ins Zeug legen. Auf den Hauptwegen werden die ersten kleinen Tische aufgestellt, die Arbeitsplätze von Wahrsagern und Wahrsagerinnen. Und die ersten Trommler, Panflötenspieler und guitarristas packen ihre Instrumente aus.
Madrids grüne Lunge – der Retiro
Der Stadtpark Los Jardines del Buen Retiro (Die Gärten der guten Entspannung), kurz El Retiro , 1633 von Felipe II. erbaut, liegt heute mitten in der Metropole und ist fast 120 Hektar groß. Die grüne Oase, die täglich durch unzählige Gärtner und mit Unmengen von Wasser gehegt und gepflegt wird, ist besonders an den Wochenenden meist rappelvoll: Jogger, Picknicker, Bootsfahrer, Musiker, Straßenkünstler, Lateinamerikaner und alle anderen Nationalitäten, Touristen, Straßenverkäufer, Cafés, Restaurants, ein Palacio de Cristal (Kristallpalast) der modernen Kunst, die Rosaleda (Rosengarten), das Marionettentheater und vieles mehr. Für jeden Madrid-Besucher ist der Retiro-Park ein Muss.
Die Cafés haben bereits geöffnet und ab und zu kommt Tom an Gruppen von Jugendlichen vorbei, von denen kleine graue porros -Wölkchen aufsteigen. Beim Vorbeilaufen zischelt ihm jemand ¿hatchís? hinterher. Und das einem Sportsmann wie Tom!
Spanien hat ein Drogenproblem. Besonders die »weichen« Drogen wie Haschisch ( atchís [a tschis ]) sind ziemlich weit verbreitet. Porros (Haschischzigaretten) werden auf Partys oder im Freien herumgereicht, sind aber nicht legalisiert. Ebenso wenig wie die botellones , die öffentlichen Besäufnisse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Trotzdem kommen sie immer noch vor und hinterlassen dort, wo sie stattfinden, in Parks, an Stränden etc. Haufen von Müll und Spuren der Verwüstung.
Gerade als Tom den Park Richtung Calle de Alcalá und Metro-Station Retiro verlässt, klingelt sein Handy. Es ist Rodrigo González, Winzer aus der Rioja und Kunde der Softwarefirma, bei der Tom beschäftigt ist. Wieso denn seine Website immer noch nicht online gestellt sei, fragt Don Rodrigo. Warum? Das kann Tom dem Mann rasch erklären, selbst wenn er gerade außer Puste ist vom Joggen. »Weil die Fotos immer noch nicht da sind, die Sie mir auf CD schicken wollten!«
Señor González behauptet, er habe die CD schon vor einer Woche abgeschickt.
Ja, ja, gute Ausrede, denkt Tom, die hat er in Deutschland auch schon von etlichen Kunden gehört. Aber bei der Post geht nix verloren, sagte schon sein Vater immer. Und der musste es wissen, denn er war selbst Postbeamter. Don Rodrigo verspricht, noch einmal eine CD loszuschicken, Tom diktiert noch einmal die genaue Adresse, » cuarto izquierda «, sagt er, vierter Stock links, damit den Briefträger beim Einwerfen in den Briefkasten keine Zweifel befallen.
»Ich melde mich bei Ihnen, sobald die Post angekommen ist. Guten Tag.« Und Tom fährt nach Hause, verbringt ein schönes Wochenende, macht einen Salsa-Workshop, weil er erfahren hat, dass Neus aus der Grafikabteilung gerne zum Salsatanzen geht, und vergisst den Winzer aus der Rioja schon fast, denn auch am Montag, Dienstag und Mittwoch kommt keine CD bei ihm in der Firma an. Bis er am Donnerstag wieder einen Anruf von Don Rodrigo bekommt. »Die Website? Also hören Sie!« Jetzt reißt Tom aber der Geduldsfaden. »Wenn Sie nichts schicken, kann ich den Auftrag nicht abschließen, so einfach ist das. Guten Tag.«
»Was ist denn los?« Javi ist besorgt wegen Toms Umgangston. »War das etwa ein Kunde von uns?«
»Da wundert sich einer, der seine Sachen einfach nicht schickt, darüber, dass seine Website nicht fertig wird.«
»Was meinst du mit ›schicken‹? Per Mail?«
»Nix per Mail, das kann der Kunde angeblich nicht, wegen der großen Datenmenge. Per Schneckenpost.«
Javi verdreht die Augen. »Sprichst du von der spanischen Post?«
» Correos , genau.«
»Ich glaube, Tom, dann solltest du dich schleunigst beim Kunden entschuldigen. Aber ¡rápido! «
Was ist schiefgelaufen?
Als Javi Toms Gesicht sieht, das ein einziges Fragezeichen ist, setzt er zu einer Erklärung an: »Du meinst, weil Correos von correr (laufen) kommt, läuft es auch? Hat dir noch keiner gesagt, dass du in Spanien die Finger von der Post lassen solltest? Worüber sich die Leute bei uns am allermeisten beschweren, ist, Nummer eins: die Telefónica , dicht gefolgt von Nummer zwei: Correos . Und seit die privatisiert sind,
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