Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
brauchen die Spanier denn noch ein Königshaus? Kostet doch nur einen Haufen Geld!«
Lenas Vater war sich der Zustimmung der jungen Leute sehr sicher, aber nun sieht er nur in betretende Gesichter um ihn herum. Nanu, was haben die denn? Sie können doch unmöglich alle Monarchisten sein?
In die peinliche Stille hinein schlägt Rafa vor, man könne doch zusammen rüber in die Bar an der Ecke gehen und einen café trinken. »Wir können doch auch hier Kaffee machen, is doch grad so gemütlich daheim«, schlägt Lenas Mutter vor, aber schon sind alle aufgestanden und fertig zum Aufbruch.
Was ist da schiefgelaufen?
Da sind Lore und Heinrich gleich in eine Fettnäpfchen-Batterie getappt: Malle fest in deutscher Hand. Ja, und was sollen die Spanier nun dazu sagen, insbesondere den deutschen Besuchern ihrer Mitbewohnerin? Dann der Stierkampf, der vor allem ein Klischee ist, das man mit Spanien verbindet. Nicht zuletzt Hemingway hat mit seinem Roman »Fiesta« dazu beigetragen, dieses Klischee zu verbreiten. Eine Mehrheit der heutigen Spanier interessiert der Stierkampf kaum mehr und sie wollen auch nicht permanent damit konfrontiert werden. Flamenco und die toros – das sind zwei der hartnäckigsten Spanienklischees. Dabei hängen diese Klischees den meisten Spaniern wahrscheinlich schon zum Hals heraus. Einen Nordspanier zu fragen, ob er Flamenco toll findet, ist dasselbe, wie wenn Sie einen Hamburger fragen, was er vom Schuhplatteln hält. Beim Stierkampf kommt erschwerend dazu, dass man darüber eigentlich nicht diskutieren kann. Entweder man mag dieses Spektakel und ist davon fasziniert oder man lehnt es ab. Beide Seiten haben ihre Argumente pro und contra. Eine Diskussion darüber ist im Grunde sinnlos. Die Fronten stehen sich da ziemlich unversöhnlich gegenüber. Es ist also kein Thema, das für einen netten Abend unter Freunden so richtig gut geeignet wäre.
Und die Royals? Natürlich sind nicht alle Spanier Monarchisten. Auf ihren König Juan Carlos I. [chuan kar los pri me ro] und ihre Königin Sofía lassen sie dennoch nichts kommen. Viele sehen in Juan Carlos I. den Retter der jungen spanischen Demokratie. Kritik an der Königlichen Familie hört man von Menschen, die über die jüngste spanische Geschichte nicht Bescheid wissen, besonders ungern. Sich über das Königshaus lustig zu machen, ist zudem kein Kavaliersdelikt. In Spanien gibt es immer noch das strafrechtlich relevante Delikt der »Majestätsbeleidigung«, das in der Demokratie natürlich zwangsläufig mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung kollidieren muss. Es kommt schon vor, dass jemand öffentlich den spanischen König schmäht. Meist passiert das im Baskenland oder in Katalonien, denn Basken und Katalanen stehen der Monarchie und dem Zentralstaat am kritischsten gegenüber.
Don Juan Carlos I y la familia real – König und königliche Familie
Nach der Verfassung, die das Volk 1978 mit einer Mehrheit von 88 % angenommen hat, ist Spanien eine parlamentarische Monarchie. Su Alteza Real (Seine Königliche Hoheit) Don Juan Carlos I. (* 1938) ist Staatsoberhaupt und national und international vor allem wegen seiner Rolle als Wegbereiter und Bewahrer der jungen spanischen Demokratie in der Phase der transición , dem schwierigen Übergang von der Diktatur zur Demokratie, geschätzt. Die Fernsehbilder, als 1981 ein Oberstleutnant der Guardia Civil , einer paramilitärisch ausgerichteten Polizeieinheit, das Parlament stürmte, gingen um die ganze Welt. Als Oberbefehlshaber des Heeres stellte sich der König damals klar auf die Seite der Demokratie und verhinderte damit einen Militärputsch. Das trug ihm große Sympathien ein. Denn eingesetzt wurde er ja noch vom Diktator Francisco Franco (1892–1975) selbst. Dieser hatte den jungen König zu seinem Nachfolger bestimmt.
Die königliche Familie ist fast täglicher Gegenstand der prensa rosa (»rosa Presse«, Yellow Press) oder prensa del corazón (»Herzenspresse«). Dass sich die älteste Tochter des Königspaares nun von ihrem Mann getrennt hat und Prinzessin Letizia, bürgerliche Gattin des Thronfolgers Felipe, möglicherweise magersüchtig ist und sich kürzlich einer Nasenkorrektur unterzogen hat, das alles sind wichtige Themen. Felipe ist proklamierter Thronfolger, weil die spanische Erbfolge männliche Erben gegenüber weiblichen bevorzugt. Wenn deshalb die beiden Töchter des Prinzen noch ein Brüderchen bekommen, wird er sie in der Thronfolge überrunden. Es sei denn, die spanische
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