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Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Titel: Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Janus
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er es nicht wahrhaben wollte.
    Lennart war der Einzige von den Jungs in seinem Schlafsaal, der schon fast wie ein erwachsener Mann wirkte. Die anderen Schüler aus den Oberkursen blieben für Julian unerreichbar. Doch Lennart saß täglich fast neben ihm, schlief im selben Saal, trieb Sport in seiner Nähe und duschte in ungenierter Weise vor seinen Augen, indem er sich seinen Schniedel ausgiebig wusch und dabei die Vorhaut hin- und zurückschob. Lennart hatte den größten Hammer in der Klasse, zweifellos, und er wusste es auch. Wenn er sich morgens unter der Brause abseifte, glitten seine Blicke mitleidig über die kleineren Schwänze seiner Mitschüler.
    Zu jedem Schlafsaal gehörte ein eigener Duschraum. Als einmal der Lehrer, der die Morgenaufsicht beim Duschen hatte, wegen Krankheit nicht erschienen war, hatte sich Lennarts angedeutetes Masturbieren zu einer wilden Wichs- und Pinkelorgie mit allen zwölf Jungs ausgeweitet. Natürlich hatte Julian mitgemacht, und er erinnerte sich mit einem wohligen Kribbeln im Bauch an diesen außergewöhnlichen Tag. Die Jungs waren alle wahnsinnig geil, wie üblich in diesem Alter. Und doch galt das ungeschriebene Gesetz: »Geile Spiele ja, aber schwul sind wir nicht.«
    Julian wühlte sich in sein spermafeuchtes Bett. Er hasste das Internat, in das seine Eltern ihn gesteckt hatten. Er wollte frei sein, einen Freund haben, den er lieben könnte und der ihn lieben würde. Man lebte im einundzwanzigsten Jahrhundert, der Außenminister hatte einen Kerl geheiratet, Heten rannten zu schwulen Partys, und der CSD war zum Familien-Event geworden. Und er, Julian, musste in einem strengen Internat hocken und sich in total veraltete Spielregeln fügen.
    Herr Wigand, der Sportlehrer, riss die Saaltür auf.
    »Aufstehen, Jungs!«, rief er munter. »Sechs Uhr dreißig! Ab unter die Dusche, marsch, marsch!« Schon war er wieder verschwunden, zum nächsten Schlafsaal.
    Julian streifte rasch die Pyjamahose mit dem verräterischen, nassen Fleck ab und rannte als Erster zur Tür hinaus.
     
    Um acht Uhr, nach dem diesmal sehr langweiligen Duschen, dem ebenso langweiligen Frühstück und der einfach spitzenmäßig langweiligen Dauerlaufrunde durch den Internatspark saßen Julian und seine Mitgefangenen im Klassenzimmer und lauschten Dr. Kessler, der über das desolate italienische Staatswesen sprach. Das Ganze nannte sich Wirtschaftsgeographie. Ein wichtiges Fach im Internat Bartenburg, denn die Jungs stammten meistens aus Manager- und Fabrikantenfamilien und sollten später einmal große Firmen oder Banken leiten.
    Julian hörte nur mit halbem Ohr zu. Er musste immer wieder an seinen feuchten Traum denken. Nicht mal mit der Kohlenzange würde er diesen Lennart anfassen … in Wirklichkeit! Sein Blick streifte Dr. Kessler. Warum träumte er nicht von dem? Kessler war groß und blond. Er musste so etwa um die dreißig sein, ziemlich alt … aber der einzige gut aussehende Mensch in Bartenburg. Und ein richtiger, erwachsener Mann! Der Stoff seiner Anzughose spannte sich über einem höchst interessanten Paket.
    Plötzlich wandte sich Kessler ihm zu. Julian senkte rasch den Blick. Hatte der etwa gemerkt, dass Julian ihm täglich auf den Schwanz starrte?
    »Wie beurteilst du denn im Rückblick die Politik des ehemaligen Präsidenten Berlusconi, Julian?«, erkundigte sich Dr. Kessler. Er duzte die Jungs, weil er sich sonst selbst zu alt fühlen würde, hatte er einmal gesagt. Seine schönen, blauen Augen blickten Julian auffordernd an.
    Julian sah die große, schlanke Gestalt, die klassische, gerade Nase, das dichte, hellblonde Haar, die weichen, vollen Lippen.
    Ich liebe dich, dachte er.
    Seit Monaten wusste er, dass es Kessler war, nach dem er sich sehnte. Keiner von den unfertigen Jungs konnte seinem Favoriten das Wasser reichen. Wie hieß er doch gleich mit Vornamen? Karol.
    Ich liebe dich, Karol! Der Satz raste wie ein leuchtendes Schriftband durch Julians Hirn.
    Kessler lächelte, als könnte er den Satz lesen. »Hast du meine Frage verstanden, Julian?«
    Julian registrierte, dass Kesslers Ton weder zynisch noch spöttisch klang. »Er wird wohl zur Mafia gehören«, meinte er verlegen.
    Die Mitschüler kicherten.
    Zum Glück hatte Kessler Humor. »Das wäre möglich. Aber es steht uns nicht zu, das zu beurteilen«, gab er zurück. »Befassen wir uns einstweilen nur mit seiner Politik. – Urs, kannst du etwas dazu sagen?«
    Urs war der Klassenbeste, und natürlich konnte er etwas dazu

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