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Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Titel: Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Janus
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sagen.
    Julian staunte im Stillen, dass Kessler so kampflos von ihm abgelassen hatte. Doch am Schluss der Stunde kam das dicke Ende nach.
    »Julian, bitte nach dem Unterricht heute Nachmittag bei mir melden!«, rief Kessler ihm zu, bevor er den Klassenraum verließ. Das bedeutete bestimmt eine Strafarbeit oder sonst etwas Unangenehmes. Als ob alles nicht schon schwer genug war …
     
    Nach sechs weiteren, oberlangweiligen Unterrichtsstunden trödelte Julian durch den langen, verwinkelten Flur des alten Internatsgebäudes. Vor dem Lehrerzimmer blieb er stehen und lauschte. Er hörte nichts. Vielleicht hatte Kessler ihn vergessen? Zaghaft klopfte er an die Tür.
    Kessler selbst öffnete. Julian wich etwas zurück. Erneut huschte ein Lächeln über Kesslers Gesicht. »Wir gehen zu mir, da ist es gemütlicher für eine Besprechung«, sagte er. Schon war er hinaus und schloss das Lehrerzimmer ab. Er eilte rasch durch den Flur, eine Treppe hinauf und durch einen weiteren verwinkelten Korridor.
    Julian folgte ihm mit klopfendem Herzen. Zu ihm? Er wusste, dass die Internatslehrer komfortable Appartements im Westflügel des Gebäudes bewohnten. Für die Schüler war der Westflügel tabu. Außer, wenn ein Lehrer es ausdrücklich erlaubte.
    Kessler schloss seine Wohnungstür auf und ließ Julian sogar den Vortritt. Julian betrat Kesslers privates Reich so vorsichtig, als wären die Böden aus dünnem Glas.
    »Immer rein, ich beiße nicht!«, meinte Kessler gut gelaunt.
    Scheu sah sich Julian um. Alles war schick und modern eingerichtet. Das große Wohnzimmer wurde von einer edlen, schwarzen Ledergarnitur dominiert. Die Tür zum kleinen Schlafzimmer stand weit offen. Julian sah sich selbst in Kesslers Spiegel – einen schlanken, dunkelhaarigen, hübschen Schüler, der den Kopf halb gesenkt trug. Und er konnte Kesslers Bett sehen, eine etwa einen Meter fünfzig breite Luxusschlafstatt aus goldfarbenem Metall, erstaunlich romantisch gegenüber den strengen Möbel im Wohnzimmer. Karols Bett! Da lag er also nachts. Vielleicht ganz nackt. Auch letzte Nacht, als Julian diesen Traum gehabt hatte …
    »Setz dich, Julian!«, forderte Kessler ihn auf. »Möchtest du eine Cola?«
    Julian ließ sich auf der vorderen Kante des Ledersofas nieder. »Nein, danke«, sagte er artig.
    Kessler warf sein Jackett über einen Sessel, die Krawatte dazu, öffnete seinen Hemdkragen und setzte sich neben Julian aus Sofa, in gebührendem Abstand natürlich.
    »Ich mache mir Sorgen um dich«, begann er. »Du bist oft so abwesend, und deine Leistungen haben sehr stark nachgelassen. Du weißt ja vielleicht, dass ich Vertrauenslehrer bin und euch alle auch in sozialer und seelischer Hinsicht betreuen soll. Gibt es denn etwas, das dich bedrückt?«
    Aha, dachte Julian ernüchtert, deshalb der ganze Zirkus mit seiner Wohnung und der Gemütlichkeit. Vertrauenslehrer also, weiter nichts. Was auch sonst? Hatte er sich etwa eingebildet, Kessler würde ihn aus Liebe mit in seine Wohnung nehmen? Julian atmete tief ein. Die Enttäuschung setzte sich in seiner Kehle fest. Er konnte einfach nicht sprechen.
    »Du kannst mir wirklich alles sagen, Julian, unsere Besprechung hier ist absolut vertraulich. So eine Art Beichtgeheimnis!« Kessler lächelte wieder. Sein Lächeln machte ihn noch schöner.
    Beichtgeheimnis? Eine wilde Idee durchzuckte Julian. Ob er Kessler einfach alles sagen könnte? Wirklich alles? Und der müsste es für sich behalten?
    Julian schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Sie nichts verraten. Lehrer halten zusammen. Das ist immer so. Gegen uns Schüler.«
    Kessler lachte nicht. »Du kannst dich darauf felsenfest verlassen. Egal, was es ist, dein Geheimnis ist bei mir so sicher wie das Gold in Fort Knox.«
    Noch nie hatte er mit irgendjemandem über seine Gefühle sprechen können, mit seinen Eltern schon gar nicht. Die Sehnsucht, sich endlich einmal alles von der Seele zu reden, wurde übermächtig in Julian.
    »Also gut. Aber unterbrechen Sie mich nicht!« Julian rutschte auf der Couch zurück bis ganz in eine Ecke, so weit weg von Kessler wie möglich. Und dann sprudelte es aus ihm heraus. Er erzählte von Anfang an – von seinen reichen Eltern, die ihn nie verstanden hatten; von seiner platonischen Jugendliebe, einem Cousin; von der Sehnsucht nach einem Freund – und von seinen erotischen Träumen. Dann hielt er kurz inne. Plötzlich schnürte ihm die Angst die Kehle zu. Könnte er wirklich noch weitergehen? Doch auf einmal war ihm

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