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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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meiner Wunde verstecken. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Mein Puls wird schneller, vor Aufregung kriege ich einen Schweißausbruch.
    Ich drehe das Rädchen neben dem Display auf »Abspielen« und halte mir die Kamera nah vor die Augen. Es erscheint ein Foto von einem blutigen Loch, der Blitz hat tief hineingeleuchtet. Das steht ja offen. Nichts deutet auf einen geschlossenen Schließmuskel hin.
    Ich kann keine ringförmig geraffte, rosabraune Rosettenhaut erkennen. Eigentlich kann ich überhaupt nichts Vertrautes erkennen. Das also meinte der Notz mit »Keil rausschneiden«. Sehr schlecht erklärt. Ich bin von meinem eigenen Arschloch entsetzt, oder von dem, was davon übrig ist. Mehr Loch als Arsch.
    Also: Arschmodel kann ich damit nicht mehr werden. Nur noch Privatgebrauch. Oder halte ich das Foto falsch rum? Nein, kann ja nicht. Robin wird den Apparat beim Fotografieren ja wohl auch so rum gehalten haben.
    Oje. Man kann da voll reingucken. Mir geht es viel schlechter als vor dem Anschauen. Schlagartig kommen auch die Schmerzen wieder. Jetzt, wo ich weiß, wie ich da aussehe, glaube ich nicht mehr daran, dass sie jemals weggehen. An der ganzen Schnittstelle ist gar keine Haut, sondern einfach rotes, nacktes Fleisch.
    Ich muss mir da erst mal Haut wachsen lassen. Wie lange dauert das? Wochen? Monate? Was muss man essen, um schnell neue Arschhaut zu bilden? Makrelen?
    Wollen die hier eigentlich, dass ich an dem offenen Fleisch Kacke vorbeidrücke? Niemals. Wie viele Tage und Wochen kann ich einhalten? Und falls ich es schaffe, lange einzuhalten, wird die Kacke ja immer dicker und härter und tut dann noch mehr weh, wenn sie da vorbei muss. Das frag ich mal. Die müssen mir hier unbedingt ein Mittel geben, das Verstopfung verursacht, damit das erst mal heilen kann. Ich klingele mit meiner SOS-Bimmel.
    Warten. In der Zeit guck ich mir alle anderen Bilder an, die Robin gemacht hat. Keins dabei, das die Wunde harmloser erscheinen lässt. Aber was ist das neben der Wunde? Lauter knallrote Pocken drumrum. Was ist das denn jetzt schon wieder? Ich fühle mit den Fingerspitzen dahin, einmal über beide Arschbacken. Ich kann die Pocken fühlen. Ist mir vorhin beim Abtasten gar nicht aufgefallen. Mein Tastsinn ist im Vergleich zum Gucksinn aber auch sehr verkrüppelt. Muss den Tastsinn mal mehr trainieren, so geht das nicht weiter. Wo kommen diese schlimmen Pocken jetzt her? Allergie? Gegen Pooperationen? Ich gucke noch mal auf den Fotos nach. Jetzt weiß ich. Das ist Rasurbrand. Die rasieren einen doch vor der Operation. Aber offensichtlich nicht gerade zärtlich. Schrappschrapp, mit der Klinge drüber. Hauptsache, so schnell wie möglich die Haare weg. Bestimmt ohne Wasser und Schaum. Einfach trocken mit der Klinge die Haare rausgerissen.
    Die sind ja hier noch schroffer beim Rasieren als ich bei mir selber. Früher habe ich mich gar nicht rasiert. Ich dachte, man kann die Zeit, die man damit im Badezimmer verplempert, besser nutzen. Hab ich auch immer gemacht. Bis ich Kanell getroffen habe. Der kommt aus Afrika, genauer gesagt aus Äthiopien. Er wollte eines Samstags an dem Gemüse- und Obststand einkaufen, an dem ich arbeite, um noch was zum Taschengeld dazuzuverdienen. Ich baue den Stand um vier Uhr morgens auf und verkaufe bis nachmittags. Mein Chef, der Bauer, dem der Stand gehört, ist Rassist. Was sehr lustig ist. Weil er meint, sehr exotische Gemüse- und Obstsorten verkaufen zu müssen. Marktlücke. Aber wer, außer Leuten aus Afrika, Indien, Südamerika und China, kann denn Pomelos, Topinambur und Okras für seine Gerichte überhaupt verarbeiten?
    So ärgert sich mein Chef den ganzen Tag lang über Ausländer, die ihn belästigen, weil sie bei ihm kaufen wollen, und regt sich über deren schlechte deutsche Aussprache auf. Obwohl er sie ja mit seinen Waren angelockt hat. Kanell hatte die Nachfrage des Bauern nicht verstanden: »Das wär’s?«
    Und musste nachfragen, was der Bauer damit meint. Der Bauer hat ihn beim Erklären so von oben herab behandelt, dass ich mich nachher vom Stand weggeschlichen habe, um mich zu entschuldigen.
    Ich bin durch die Gänge des Marktes gerannt und habe ihn gesucht. Irgendwann stand ich hinter ihm. Ich tippte ihm auf die Schulter, er drehte sich um, und ich sagte, ganz außer Atem:
    »Hallo. Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich mich grad sehr geschämt habe für meinen Chef.«
    »Das habe ich Ihnen angesehen.«
    »Gut.«
    Wir lachten uns an.
    Dann

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