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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Seite zu ziehen. Der eine Elternteil redet dann vor den Kindern schlecht über den anderen Elternteil.
    Was jeder der schlecht redenden Elternteile aber nicht bedenkt, ist, dass er dabei auch immer die eine Hälfte des eigenen Kindes beleidigt. Falls man sagen kann, dass ein Kind halb Mutter, halb Vater ist.
    Kinder, deren Vater immer von der Mutter schlecht gemacht wurde, rächen sich irgendwann an der Mutter. Alles kommt wie ein Bumerang zurück.
    All die Jahre hat dann die Mutter versucht, das Kind auf ihre Seite zu ziehen, hat aber damit genau das Gegenteil erreicht. Sie hat das Kind immer weiter zum Vater gedrückt.
    Unsere Pädagogiklehrerin hat recht.
    »Weiß ich nicht, ich war nicht dabei, war Vollnarkose. Alles gut gelaufen, sagen sie. Tut weh. Hast du meine Kerne mitgebracht?«
    »Ja, da stehen sie.«
    Sie deutet auf die Fensterbank. Direkt neben der Windelbox steht eine Kiste mit meinen geliebten Kernen. Sehr gut. Da komm ich auch alleine dran.
    »Hast du den Fotoapparat mit?«
    Sie holt ihn aus der Handtasche und legt ihn auf meinen Metallnachtschrank.
    »Wofür brauchst du den hier im Krankenhaus?«
    »Ich finde, man soll nicht nur die glücklichen Momente wie Geburtstage dokumentieren, Mama, sondern auch die traurigen wie Operationen, Krankheit und Tod.«
    »Mit solchen Fotos im Album machst du bestimmt deinen Kindern und Kindeskindern eine große Freude.«
    Ich grinse. Ach, wenn du wüsstest, Mama.
    Ich möchte, dass sie schnell geht. Damit ich mich um meinen Arsch kümmern kann. Die einzigen Momente, in denen ich länger Zeit mit ihr verbringen will, sind die, in denen ich begründete Hoffnung habe, dass ich sie mit Papa zusammenbringen kann. Der kommt heute nicht. Aber morgen bestimmt. Das Krankenhaus mit der Tochter drin ist der perfekte Ort für eine Familienzusammenführung. Morgen. Heute: Arschfotos.
    Sie verabschiedet sich und sagt noch, dass sie mir Schlafsachen in den Schrank geräumt hat. Danke. Wie soll ich denn da drankommen? Egal, liege sowieso lieber untenrum nackt, wegen dem ganzen Verbandszeug. Luft ist gut für die Wunde.
    Sobald Mama weg ist, klingele ich nach Robin.
    Warten, warten. Gibt ja noch andere Patienten, Helen, auch wenn du dir das nur schwer vorstellen kannst. Da kommt er.
    »Wie kann ich Ihnen helfen, Frau Memel?«
    »Ich möchte was fragen. Und bitte nicht sofort Nein sagen, ok?«
    »Schießen Sie los.«
    »Könnten Sie mir helfen ... Können wir erst mal das Siezen weglassen? Wenn ich so was frage, passt Siezen nicht.«
    »Klar. Gerne.«
    »Du bist Robin, und ich bin Helen. So. Kannst du mir bitte helfen, meinen Arsch und die Wunde zu fotografieren? Ich will unbedingt wissen, wie ich da jetzt aussehe.«
    »Oh, ich muss mal kurz überlegen, ob ich das darf.«
    »Bitte, ich werde sonst wahnsinnig. Anders kriege ich nicht raus, was die da gemacht haben. Weißt du doch, der Notz kann das nicht erklären. Und ist ja schließlich mein Arsch. Bitte. Mit Rumtasten komm ich da nicht weiter. Ich muss das sehen.«
    »Verstehe. Interessant. Andere Patienten wollen nie wissen, wie’s geworden ist. Okay. Was soll ich machen?«
    Ich stelle den Fotoapparat im Menü auf Speisenfotografie ein. Erst mal ohne Blitz. Ist immer schöner. Ich entferne den Mullaufkleber und den Pfropfen. Das dauert länger als gedacht, ganz schön viel Mull haben die da hinten reingestopft. Ich lege mich vorsichtig auf die andere Seite, Gesicht zum Fenster, und halte mit beiden Händen die Arschbacken auseinander.
    »Robin, jetzt bitte so nah wie möglich die Wunde fotografieren. Nicht wackeln, ist ohne Blitz.«
    Ich höre, wie es einmal klickt, dann zeigt er mir das Bild zur Kontrolle. Man kann kaum was erkennen. Robin hat keine ruhige Hand. Aber bestimmt andere Talente. Also doch mit Blitz. Und das Ganze noch mal.
    »Mach ein paar Bilder aus verschiedenen Perspektiven. Ganz nah und weiter weg.«
    Klick, klick, klick, klick. Der hört gar nicht mehr auf.
    »Ist gut, danke, Robin.«
    Er gibt mir vorsichtig den Fotoapparat zurück und sagt:
    »Jetzt arbeite ich schon so lange in der proktologischen Abteilung und habe noch nie die Wunde, die hier alle haben, sehen dürfen. Ich danke dir.«
    »Ich dir. Darf ich jetzt in Ruhe mein Poloch angucken? Und würdest du das noch mal für mich machen, falls nötig?«
    »Klar.«
    »Du bist ganz schön locker, Robin.«
    »Du erst, Helen.«
    Er geht lächelnd raus. Ich stopfe mir den Mullpfropfen wieder rein.

Ich bin jetzt alleine mit diesem Apparat, in dem sich die Bilder

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