Feuer brennt nicht
Charlotte seinen Mund mit ihrer Zunge, ganz sanft legt sie eine Hand auf sein Glied. Dann zwängt sich der Hund zwischen sie, und sie schaut auf die Uhr.
Zu ihr können sie nicht fahren; die Räume werden renoviert. Sie lebt zur Zeit im Haus ihres Dekans, in der Gästewohnung, und die Wände sind dünn; es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn die neueProfessorin … Also gehen sie schräg über den Platz, zum »Sachsenhof«, einem alten Hotel neben dem Metropol, wo der Nachtportier allein im dunklen Frühstücksraum voller Gummibäume sitzt und auf den Fernseher starrt. Er mustert sie kurz, als er hinter den Empfangstresen geht, ein knochiger Mann mit dem fahlen Gesicht des kettenrauchenden Gastronomen. Nichts, was er nicht schon erlebt hätte, und weil Wolf die Körperhaltung ein wenig zu sehr betont und seine Stimme einen Hauch zu gelassen klingen lässt, schmunzelt der Mann kaum merklich. Ein Zimmer für die Nacht – zwar hängen fast alle Schlüssel in ihren Fächern, doch beugt er sich über sein Verzeichnis und blättert und radiert und tut, als wäre das eine äußerst komplizierte Aufgabe, kaum zu lösen. Da er fühlt, dass sie es eilig haben, lässt er sich Zeit; Webster räkelt sich auf der Fußmatte, Charlotte prüft den langen Trieb einer Topfpalme zwischen den Fingern, und schließlich nickt er, legt drei Schlüssel vor sie hin und sagt: »Also: Da hätten wir ein Zimmer mit zwei Betten, ohne Wanne, mit Dusche auf dem Flur. Dann wäre da noch eines mit französischem Bett und Whirlpool, wobei der Internet-Anschluß gerade nicht funktioniert, und eines mit Wasserbett, allerdings nur ein Meter vierzig breit. Wenn Sie möchten, können Sie es sich ansehen. Der Schlafkomfort ist schon fantastisch, aber man sollte es eine Stunde vorheizen. Ach ja …« Er legt noch einen vierten Schlüssel vor sie hin. »Und dann gibt es im ersten Stock eins mit ganz normalem Doppelbett und Bad, falls Sie der Hofblick nicht stört.«
Er weist auf die Glastür im Hintergrund, die Containervoller Müll. »Nein«, sagt Wolf, der das Brett mit dem Meldezettel an sich zieht. »Das nehmen wir.« Seine heimliche, irgendwie eingeklemmte Erektion tut ihm weh, und er weiß zudem nicht, ob er sich amüsieren oder empören soll, weil der Mann immer haarscharf an ihm vorbeigesprochen hat, und auch jetzt mit einem Blick auf Charlotte sagt: »Es hat aber keinen Fernseher.«
Doch sie wischt ein Haar von Wolfs Revers, schaut auf den Nollendorfplatz hinaus und erwidert mit souveräner Beiläufigkeit: »Ach, den werden wir auch nicht brauchen.«
Er ist erfreut über die Antwort und fühlt sich entlastet und weniger nackt in seiner Erregung. Diese prachtvolle Frau wird ihm gleich die Eier lecken, während der Lederne da an seinen Kippen nuckelt. Dennoch schwitzt er und kann es kaum fassen, dass er in dieser alltäglichen, so oder ähnlich in tausend Filmen gesehenen Szene – das heimliche, zum Betrug bereite Paar checkt ein – zu zittern beginnt, kaum wahrnehmbar erst, und möglicherweise Einbildung. Aber als sowohl Charlotte als auch der Portier mit ihm auf das Blatt blicken, dem nur noch seine Unterschrift fehlt, wird es doch deutlich, und er fühlt sich fahl werden vor Verlegenheit. Es ist ein jähes Zurückschrecken, ein leises Verzittern der Hand, bevor die winzige Kugel des Schreibers auf das Papier trifft, und noch einmal, als sie es dann berührt, so dass der erste Buchstabe krakelig wird, und in seiner Vorstellung meint es nicht nur diesen Moment. Wie jener sekundenkurze Lichtblitz in manchen USB-Sticks, nach dem ein viele hundert Seiten starkes Buch gespeichert ist, scheint es dieganze Vergangenheit zu komprimieren, und auch wenn Charlotte später sagen wird, dass sie es gar nicht bemerkt habe, dass er ihr im Gegenteil unglaublich versiert und cool erschienen sei – zum einen beschädigt dieses Zittern den Eindruck souveräner Männlichkeit, den er machen wollte, was ihn noch demütigt, als ihre Schreie schon widerhallen im Hof; zum anderen verdeutlicht es ihm, dass das hier mehr ist als ein Seitensprung aus sexuellen Gründen, wie er gelegentlich vorkam. Als wäre der Schwung seiner Signatur auch deswegen verwackelt, weil eines von Alinas Haaren auf dem Zettel lag.
Lange nach Mitternacht kommt er in die Wohnung, doch sie schläft noch nicht. Ein Glas Wein in der Hand, sitzt sie in Jeans und T-Shirt auf dem Bett; überall auf dem Boden liegen Bücher und zerrissene oder zerknüllte Manuskripte und Kopien. Sie starrt
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