Feuer der Götter: Roman (German Edition)
heftigen Wunsch verspürte, kein Gott zu sein. Es wäre besser, sich von ihr fernzuhalten, bevor er sich noch erhoffte, ein Städter zu werden!
Auch wenn er die Stadt verabscheute, so bewunderte er die steinernen Reliefs um Fenster und Türen – regelmäßige Blüten, Kreise und Spiralen. Nutzlose Zeichen, so hatte er früher gespottet. Mochten sie nutzlos sein, so waren sie doch eine Pracht für das Auge. Wandmalereien zeigten Tiere und Götter, Bäume und den Fluss. Und überall standen Götterfiguren, ähnlich gedrungen gearbeitet wie der Griff von Naaves Opferdolch. Er gelangte auf einen kleineren Platz, in dessen Mitte eine vielarmige, vielbrüstige Figur aus weißem verwitterten Stein stand. Die Göttin Varuta war in tanzender Bewegung inmitten eines viereckigen Brunnens erstarrt. Erleichtert beugte er sich über die Einfassung und schöpfte mit der Hand Wasser, um seinen Durst zu löschen.
Eine Schwangere warf einen kupfernen Ring hinein. Offenbar erflehte sie von der Göttin der Vaiiaschote eine glückliche Geburt. Ihr Blick fiel auf ihn, und sie erschrak wie so viele. Schwerfällig erhob sie sich und geriet in eine Schar kreischender Kinder, die auf den Brunnen zuhielten und die Göttin nassspritzten. Plötzlich wichen sie zurück, doch nicht vor ihm, sondern vor drei Männern, die in bedrohlicher Haltung näher kamen.
Nicht schon wieder.
»Tatsächlich, ein Feuerdämon«, sagte einer. Auch er trug ein schlichtes, aber gut gefettetes Messer.
»Der? Das ist ein Waldmensch, aber doch kein Dämon.«
»Siehst du die Narbe nicht, oder was das sein soll?« Der Mann zog das Kupfermesser aus seinem Gürtelstrick. »Ich schneide ihm die Hand ab, dann werden wir ja sehen, ob er ein gewöhnlicher Waldhund ist.«
»Bei allen vierzehn Göttern, lass mich am Leben, ich flehe dich an.« Die verletzte Hand unter die Achsel geschoben, hob der Mann bittend die andere. Rücklings lag er im Schmutz der Straße. »Wir wollten dir nichts tun. Wirklich nicht! Nur dem Tempel überbringen!«
Langsam nahm Royia die Messerklinge vom Hals des Mannes. Aus dem Schnitt sickerte Blut und rann ihm ins Haar. Allzu gerne hätte er sich weiter dem Rausch des Jagens überlassen, aber er war hier nicht im Lichtwald; er war in der Stadt und noch keinen Schritt weitergekommen. »Sag mir, ob du eine Frau namens Naave kennst und weißt, wo sie ist.«
Kopfschütteln. Wie es zu erwarten war.
»Tzozic. Kennst du ihn?«
Hastig nickte der Städter. »Ja, wer das ist, weiß ich. Das ist der Wirt vom Goldenen Axot. Das ist in der Nähe des Platzes vor dem Tempel.«
»Was soll das sein?«
»Ein Gasthaus natürlich.«
Royia hatte eine ungefähre Vorstellung, wovon der Mann sprach. »Gut. Und jetzt verrate mir, wo man die Nüsse oder das Nussöl der goldenen Sonnenpalme bekommt.«
Der Mann zeigte sich redselig; Angstschweiß floss ihm in Bächen über das Gesicht. »Auf dem großen Markt vor dem Tempel. Da gibt es einen Stand am nördlichen Ende. Aber ob er auch während des Festes da ist, weiß ich nicht.«
Royia erhob sich von der zittrig atmenden Brust des Mannes, ließ die Zuschauer, die vor ihm zurückwichen, stehen und machte sich in Richtung des Tempels auf, der nicht zu verfehlen war, denn seine weißen Mauern waren mit Fackeln hell erleuchtet. Auch wenn er auffiel, so war es im Trubel doch immer leicht, wieder unterzutauchen. Schnell hatte er den Markt gefunden und lief durch das Gewirr der Stände und Käufer. Auch den Stand mit den Ölen zu finden, war nicht schwierig. Aber womit sollte er bezahlen? Der Händler war von wuchtiger Gestalt und bewachte mit einem Knüppel an der Seite seine Ware, während er einer betrunkenen Frau sein schönstes Lächeln zeigte und ihr kupferne Ringe abschwatzte. Royia jedoch bedachte er mit einem wütenden Blick. »Bist du ein Feuerdämon, oder bist du nur so dumm, so zu tun? In diesen Nächten gibt es ja genug Verrückte auf der Straße. Hast du überhaupt Geld? Du siehst nicht so aus.«
»Hast du goldenes Sonnenpalmöl?«
»Ich habe alle Arten, die du dir nur denken kannst. Ich habe auch dies hier«, der Händler klopfte bedeutungsvoll auf den Knüppel an seinem Gürtel. »Damit habe ich schon mehr als einmal diebischen Waldmenschen den Garaus gemacht. Also solltest du ausnutzen, dass ich gerade gute Laune habe, und dich schleunigst davonmachen. Was ist, warum bist du noch nicht fort? Falls du mich bestehlen willst, wird es dir schlecht bekommen.«
Und das mir, dem Gott der Diebe, dachte
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