Feuer der Götter: Roman (German Edition)
Stadt gab, deren Lebensführung ihr genehm sein könnte. Die Priesterin schien eine Verkörperung dieser Göttin zu sein.
»Das Straßenkind muss noch viel lernen. Zum Beispiel, dass man eine Priesterin nicht so anstarrt. Senke die Augen, wenn ich mit dir spreche.«
Naave gelang es nicht.
Seufzend schlug die Priesterin ein Bein über das andere und ordnete ihr Gewand. »Ich war damals eine der wenigen, die sich dagegen aussprachen, dass du die Nachfolge des Hohen Priesters antrittst, solltest du in der Gosse überleben. Leider hat er damals nicht auf mich gehört, und ich fürchte, dass du dafür sorgen wirst, dass er es nun bereut. Du bist zänkisch und hast kein Benehmen. Was ich bisher über dich gehört habe, passt dazu. Also: Solltest du frech werden, setzt es auch für dich eine Ohrfeige. So viel dazu, ob deine Herkunft etwas zählt. Für mich nicht!«
Naave ballte die Fäuste vor unterdrücktem Zorn. »Mit Unterwürfigkeit überlebt man den Graben nicht. Und es war mein Vater, der mich zu dem gemacht hat, was ich bin!«
Unbeeindruckt hob die Frau eine Hand. »Von mir aus. Ab heute vergisst du den Graben und alles, was du erlebt hast. Und glaube mir: Ich werde es schon schaffen, aus dir eine andere Frau zu machen.«
Naave nahm den Käfig, lief zum Fenster und öffnete ihn. Nach einigem Schütteln flatterte der Vogel hinaus und davon.
Die Priesterin seufzte, als hätte sie ein störrisches Almara vor sich. »Morgen früh bringe ich dich ins Bad, wo ich mich höchstpersönlich um die Pflege deiner räudigen Straßenhaut kümmern werde. Dann bereden wir noch einmal ausführlich, was du in der nächsten Zeit darfst und was nicht. Bis dahin lass dir nicht einfallen, im Tempel herumzustreunen; das tut dir nicht gut. Sicherlich hast du schon von bedrohlichen Schatten geträumt? Wenn nicht, wirst du das heute Nacht tun. Es befällt jeden Neuling. Aber bald gewöhnt man sich an die Anwesenheit des Todeshauchs und nimmt ihn nicht mehr wahr. Hast du das alles verstanden?«
Mürrisch nickte Naave. Warum geisterte der Schattenhauch durch den Tempel? War der Tod nicht überall zu finden? Sie schauderte, und jeder anderen Priesterin gegenüber hätte sie es zugegeben.
In der halboffenen Tür erschien ein Priester und verneigte sich. »Ehrwürdige Herrin des siebten Mondes, ich soll dir sagen, dass das Festopfer eingetroffen ist.«
Sie erhob sich und strich das Gewand glatt. »Das wurde auch Zeit! Hoffentlich hat der Yioscalo einen kräftigen jungen Mann gewählt, der etwas hermacht und nicht heult und zittert, wenn er das Messer sieht.« Sie schritt, die Kugel hoch erhoben, aus dem Raum. Naave wartete einige Zeit und folgte ihr. Neben der Tür stand ein anderer Tempelwächter. Er hielt sie nicht zurück, als sie die Treppe hinauflief. Der Priester, der auf seinem Hocker so nachlässig die Schriftenkammer bewacht hatte, war verschwunden. Stattdessen standen zwei Schwerbewaffnete neben der Tür. Hastig zog sich Naave in ihre Kammer zurück. Den Weg durchs Fenster überprüfte sie nicht mehr. Zweifellos war ihr auch der verwehrt.
• • •
Sein Kopf schmerzte, als hätte er Rauschtrank in sich hineingeschüttet. Noch immer lag er auf dem Bett der Hure. Er fragte sich, wie lange er geschlafen hatte. Unten war es still. Durch die Matte vor dem Fenster schimmerte das Licht der Abenddämmerung.
Er überlegte, ob er sich noch einmal entspannen und hoffen sollte, wenigstens in seiner Vorstellung mit Naave aufregende Dinge zu erleben.
»Yaia, was ist mit dem Kerl?«, dröhnte es von unten. »Macht er Schwierigkeiten? Er liegt schon ziemlich lange da oben! Wir machen gleich auf. Ich werde ihn jetzt hinauswerfen.«
»Hör auf zu poltern, du Ochse. Er hat genügend Ringgeld, um meinetwegen noch drei Tage zu schlafen.«
»Aber Yaia! Dieses Haus ist doch keine Herberge!«
Schwere Schritte stampften die Treppe herauf. Royia hatte kaum Zeit, sich aufzusetzen, da flog der Vorhang des Eingangs zurück, und ein riesenhafter Kerl baute sich auf der Schwelle auf. Über dem Bauch wölbte sich eine fleckige Schürze, und sein Haar, das in alle Richtungen abstand, war klebrig vor Fett. Er riss den Mund auf – doch was immer er sagen wollte, blieb ihm in der Kehle stecken.
»Wie?« Royia musste lachen. »Dieses Haus gehört dir?«
»Verdammt!«, schnaufte der Riese. »Die Götter sollen mich mit Blindheit schlagen. Das ist …«
»Ja, er ist ein Feuerdämon«, die Hure schob sich an ihm vorbei und hob beschwichtigend die
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