Feuer der Götter: Roman (German Edition)
Opfer … Natürlich, das warst ja dann du!«
Er nickte, und sie schlug lachend die Hände auf die Schenkel.
»Da habe ich wirklich einen bemerkenswerten Gast! Oh, über diese Naave gibt es Gerüchte. Es heißt, eine Frau sei in einer verschleierten Sänfte in den Tempel getragen worden. Und heute Nacht meinte ein Gast, man habe sie an einem der Tempelfenster gesehen. Aber ob sie das wirklich war?« Yaia zuckte die Schultern. »Gelegentlich lassen sich auch Priesterinnen in Sänften herumtragen, und aus den Fenstern schauen sie sicher auch.«
All das Hetzen durch die Stadt war sinnlos gewesen. Tief in seinem Innern hatte er ohnehin geahnt, dass Naave nur an zwei Orten sein konnte: im Graben, wo er sie niemals fände, oder im Tempel, wo er sie unmöglich erreichte.
»O doch, sie war es bestimmt. Tzozic würde mich gerne in den Tempel bringen. Nun, ich denke, ich werde ihn um die zweite Belohnung bringen und selbst dorthin gehen. Es ist das Einzige, was ich noch tun kann. Heute ist die letzte Festnacht. Bei Sonnenaufgang wird der Hohe Priester auf der Opferbrücke erscheinen. Und ich werde ebenso da sein.«
»Um was zu tun?«
Er konnte nicht anders, er musste diesen gierigen Blick mit einer Geste erwidern. Er strich ihr über die Wange. »Ich habe genug gesagt.«
Ja, er würde sich notfalls ausliefern. Im Gegenzug würde er von dem Priester verlangen, ihm alles zu sagen, was er über das Rätsel wusste. Das Rätsel, dessen Enthüllung so schrecklich war, dass es Muhuatl in Flammen hatte aufgehen lassen. Und er würde verlangen, Naave zu sehen …
Wenn der Hohe Priester mich haben will, muss er mir eine Stunde seiner Zeit gewähren. Und eine mit Naave. Wenn ich es danach tatsächlich nicht schaffe, zu entkommen – war es das vielleicht wert.
»Mir scheint, du sehnst dich nach Schwierigkeiten«, sagte die Hure, und ihr Blick wurde nur mehr sehnsuchtsvoller. »Ich helfe dir, dorthin zu kommen, ohne dass jeder vor dir davonläuft oder dich fangen will.«
»Und wie willst du das tun?«
»Ach, das ist ganz einfach. Außerdem habe ich ja noch Zuqua. Er hält die Leute schon von dir ab.«
»Der schmächtige Kerl?«
Sie lachte. »Du wirst schon sehen!«
• • •
Yaia hatte nicht zu viel versprochen. Zuqua hatte seine Schürze abgelegt und schlenderte, mit nichts als einem handbreiten grauen Tuch um die sehnigen Hüften, zwei Schritte hinter ihr. An einem Gürtelstrick hing eine Naz-Schlinge. »Ich habe sie voriges Jahr einem Waldmenschen abgekauft«, erzählte Yaia, während sie neben Royia durch die Straßen lief. »Er berichtete Erstaunliches über diese Waffe, nämlich dass sie sich von selbst um ihre Beute schlingt. Das erwies sich als wahr. Leider ging das Tier oder die Pflanze oder was immer es war, ziemlich schnell ein. Aber das weiß niemand. Zuqua hat damit einige so beeindruckende Dinge angestellt, dass sich ihm auf ewig keiner mehr zu nähern wagt.«
Royia konnte sich lebhaft vorstellen, dass die wundersamen Dinge, über die sie mit leuchtenden Augen sprach, für einige Menschen tödlich ausgegangen waren. Allerdings wirkte Yaia nicht, als bedürfe sie überhaupt des Schutzes eines Leibwächters. Stolz schritt sie aus. Ihre schweren Brüste mit den geschminkten Warzenhöfen schwangen hin und her, kaum bedeckt von dem hauchzarten Stoff ihres enganliegenden Kleides. Ein Gürtel aus Tecminc-Steinen lag um ihre Hüften, und in das Fleisch ihrer Oberarme pressten sich Lederbänder mit Schneckenhäusern, die Royia schmerzlich an Naave erinnerten.
Er hatte erstaunt bemerkt, dass ihre Mähne andere Frauen mit ebenso rot gefärbtem Haar anzulocken schien. Irgendwann begriff er, dass dies das Zeichen der Huren war. Aber keines leuchtete so prächtig, war so dicht und so lang. Die Frauen, auch die jüngeren mit festeren Körpern, betrachteten sie voller Neid und Ehrfurcht. In gehörigem Abstand umschwärmten sie die Hure, als erhofften sie, dass ihr Glanz auf sie abfärbe.
Das Geschrei vom Feuerdämon blieb dennoch nicht aus.
»Sie werden glauben, ich hätte dich gehabt«, sagte Yaia, während sie einem Mann zuwinkte, der die Finger zwischen die Zähne steckte und anzüglich pfiff. »Ich schätze, gleich morgen nach dem Fest wird der Yioscalo bei mir anklopfen, und ich werde den doppelten Preis verlangen können. Du bringst mir Glück, Feuerdämon.«
Und mit diesem verrückten Zwerg zu schlafen, machte ihr wahrscheinlich sogar Freude.
Es scheint so, als wolle die Stadt ihren Ruf mit aller Macht
Weitere Kostenlose Bücher