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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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ihr anderes. Zusehends lauter wurde der Wald; von überall her raschelte, zischelte und rauschte es. Hin und her fühlte sich Naave geworfen; ihr Magen schien sich mehrmals zu drehen. Schließlich richtete sie ihr ganzes Denken auf die harten und zugleich geschmeidigen Muskeln, die sie an Armen und Beinen spürte. Es war, wie auf einer Raubkatze zu reiten.
    »Du kannst loslassen.«
    Zögernd tastete sie mit den Füßen herum. Es war ein breiter Ast, auf dem sie stand. Er ragte aus dem Geflecht mächtiger Baumkronen hervor. Sie hatte geglaubt, dass Höhe ihr keine Angst machte, doch diese Höhe war gewaltig. Sie blickte über eine hügelige Ebene, die in schier endloser Ferne in die grauen Konturen ferner Bergketten überging. Goldene Äcker und Wiesen, Sumpflandschaften und karge Steppen, auf denen Palmen und Kakteen wuchsen, umgaben die Stadt. Dörfer waren nicht mehr als dunkle Flecken. An einem Hang leuchteten die weißen Häuser der Reichen im Sonnenlicht – der Ort ihrer Träume. Unwirklich klein wirkten die vierzehn Türme des Tempels inmitten der Stadt, eines dahingeworfenen Teppichs aus dichtgedrängten Häusern und Hütten, zwischen denen nur die breitesten Straßen erkennbar waren.
    »Wie groß sie ist«, hauchte Naave. »Und wie weit entfernt! Du hast mich ins Niemandsland geschleppt.«
    »Der Fluss hat uns weit davongetragen.«
    »Du hast mich entführt, Dämon. Es ist deine Schuld!«
    »Es wäre nett von dir, wenn du mich nicht immer so nennen würdest«, knurrte er.
    »Was beklagst du dich darüber, da du doch einer bist?«
    Treib’s nicht zu weit, sonst gibt er dir einen Stoß. Sie neigte sich leicht vor, um ihm zu zeigen, dass sie sich nicht fürchtete. Tique, und wie sie sich fürchtete! Tief unter ihr rauschte der Fluss dahin; nicht mehr so rasend wie an der Tempelmauer, doch immer noch schneller, als sie es von den westlichen Auen gewohnt war. Nirgends ein Baumstamm, der sich über das Wasser geneigt hatte, nirgends eine Furt oder etwas anderes, womit sie auf die andere Seite gelangen konnte … Doch, ein Boot! Zwei, drei …
    »Unter uns sind Leute! Weshalb mögen sie hier herübergekommen sein?«
    Auch der Dämon neigte sich vor. »Das sind keine Menschen aus der Stadt.«
    Die belaubten Äste der Bäume erschwerten die Sicht, doch Naave sah mindestens zehn Menschen dort unten am Ufer und drei oder vier palmblattgedeckte Rundhütten. »Es sind welche deines Volkes«, sagte sie.
    Er schnaubte verächtlich. »Es sind düstere Menschen.«
    »Düstere? Ihre Haut ist heller als die von uns Städtern.«
    »Ihre Seelen sind verdüstert. Weil sie sich vom Leben in der Stadt haben anlocken lassen. Sie gehören zu denen, die sich über den Fluss wagen, um irgendwelche Dinge, die sie im Wald sammeln, zu verkaufen und anderes einzuhandeln. Manchmal gelangt etwas davon auf verschlungenen Wegen sogar bis zu unserem Stamm. Steinfigürchen oder bronzenes Werkzeug.«
    Ob diese Menschen sie übersetzen würden? Dieses Dörfchen zu betreten, mochte für eine Frau ähnlich gefährlich sein, wie des Nachts allein durch den Graben zu laufen. Naave beschloss, eines der Kanus zu stehlen. Vielmehr auszuleihen. Am anderen Ufer würden es die Männer dann schon wiederfinden.
    »Ich bringe dich hinunter und verschwinde dann«, sagte er.
    Erleichtert atmete Naave auf. So nah bei ihm zu stehen, war schon am Boden unangenehm. In solcher Höhe jedoch fühlte es sich grässlich an – auch wenn es keinen Unterschied machte, ob er sie verbrannte oder hinunterstieß.

    Sie klammerte sich wieder an ihn, und er sprang über federnde Äste. An einem Baum dicht am Fluss ging es abwärts. Vergebens versuchte sie einen Schrei zu unterdrücken. Zwei Schrittlängen über dem Erdboden hielt sich der Dämon aufrecht am Stamm fest und bewegte sich nicht mehr; offenbar mochte er den Rest nicht zurücklegen. Naave sprang hinunter. Durch den äußeren Saum des Unterholzes glitzerte das Wasser. Es floss träge und ohne das Getöse, das der Große Beschützer an den Tempelmauern machte.
    Der Dämon schob Blätter auseinander und spähte in die Richtung der Siedlung. Plötzlich sprang er auf den Boden, wobei er kurz das Gesicht verzog, als ekle er sich davor, und stapfte auf das Dorf zu.
    »Was tust du da?«, rief Naave unterdrückt. »Du wolltest doch verschwinden!«
    Schon hoben die Männer die Köpfe. Tique! Wie sollte sie jetzt noch ein Boot stehlen?
    Sie zählte vier schäbige Schilfhütten und drei Kanus. Um ein Kochfeuer hockten einige

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