Feuer der Götter: Roman (German Edition)
einen Menschen, und sie wurde wieder hell. Deshalb machen wir das. Menschenblut für Sonnenlicht. Aus Dankbarkeit, dass es immer da ist. Und natürlich, damit es nie wieder verschwindet.«
»Du redest, als wärst du eine Priesterin. Wie kommt es, dass du so wenig Ahnung hast? Jedenfalls, von diesen fünf dunklen Tagen wissen wir auch. Im Wald begeht man das Fest allerdings anders: Man verhängt seine Baumhütte und bleibt fünf Tage darin. Am sechsten Tag besucht man einander und isst gemeinsam.«
»Das ist alles?«
»Ja. In der Stadt dagegen wird fünf Tage lang ein rauschendes Fest gefeiert. Die Leute treiben es mit jedermann; man prügelt sich; manchmal gibt es Tote, und am sechsten Tag liegen alle betrunken in den Straßen.« Canca lachte; seine Augen blitzten leidenschaftlich.
»Genau so stelle ich mir dieses Fest in der Stadt vor«, brummte der Dämon, der zu alldem nur mit verschränkten Armen geschwiegen hatte.
»Mit eigenen Augen hab ich gesehen, wie das Blut des Bedauernswerten in den Fluss rann«, fuhr Canca fort. »Dann warfen sie ihn selbst hinterher. Ich hab’s gesehen, ja.«
»Ach, und du hast gesehen, dass es ein Waldmensch war?«, entrüstete sich Naave. »Ich stehe selbst jedes Jahr unten in der Zuschauermenge und weiß, dass man auf die Entfernung gar nicht erkennen könnte, ob da ein Waldmensch oder ein Städter auf der Opferbrücke liegt. Außerdem sind sie so reichlich geschmückt, dass …«
»Es war mein Bruder.«
Darauf schwieg sie betroffen. Seit jeher erzählte man sich, dass es Freiwillige seien, die im Tempel ihr Leben ließen. Ihre Familien bekamen Berge von Kupfer- und sogar großen Silberringen und Häuser in besseren Vierteln; sie hatten auf ewig ausgesorgt. Zu Tzozics täglichem Geschimpfe, das er auf seinen alten Gehilfen Maqo niedergehen ließ, zählte seine Drohung, ihn im Tempel abzuliefern. Aber für so eine ausgemergelte Gestalt wie dich geben sie bestimmt nichts, pflegte er seine Tiraden zu beschließen.
»Kennst du denn solche Familien?«, fragte einer der anderen Männer.
Wenn sie es recht bedachte, hatte sie immer nur Leute gehört, die sagten, sie würden jemanden kennen, der aus einer solchen Familie stammte. Aber hatte je eine Familie den Graben verlassen? Sie wusste von keiner, musste sie sich eingestehen.
»Immerhin kenne ich jemanden, der vom Tempel mit Schätzen überhäuft wurde.« Mit Schätzen, die mir zugestanden hätten! Stattdessen hocke ich zwischen zwielichtigen Gestalten und muss mir dieses Zeug anhören. »Wieso wagt ihr euch denn in die Stadt, wenn es für Waldmenschen so gefährlich ist? Du lässt sogar deinen Sohn ziehen.«
Canca hob die Schultern. »Das Leben im Wald ist ja auch nicht ungefährlich. Die Stadt ist eben etwas ganz Besonderes. Einfach aufregend! Ich wollte immer schon weg.« Er machte eine verächtliche Handbewegung über die Schulter, in Richtung des Waldes. »Immer dieselben Leute in meinem Stamm, Langweiler waren das; und den ganzen Tag jagen oder schnitzen, das war nichts für mich.«
»Und hier hast du es besser?«, fragte der Dämon, den Mund verächtlich verzogen.
»Ich kann wenigstens ab und zu in die Stadt. Ließe man uns, so würden wir dort leben. Aber unsereiner ist dort nicht wohlgelitten. Wäre man dort nicht so versessen auf unsere Felle und Häute und Gifte … Und Federn! Die reichen Städter sind ja ganz verrückt nach bunten Vogelfedern.«
Canca klang munter. Doch Naave konnte sich nicht vorstellen, dass einen das Leben zwischen zwei Welten glücklich machen konnte. Vielleicht benötigte er das Palmnussöl, um weiterträumen zu können.
»Ich hab’s nicht geschafft, aber mein Sohn, der ein guter Jäger ist, wird es eines Tages schaffen: ein Axot fangen.« Feierlich hob er die Kalebasse und trank sie aus. »Für ein Axot würden die Städter gewiss jeden Preis zahlen. Und wenn ein Waldmensch genügend Geldringe an den Fingern hat, dürften sie sogar zu ihm freundlich sein.«
Naave spürte, wie sich der Dämon neben ihr anspannte. Seine Armmuskeln bewegten sich unter der Haut, als er eine Faust ballte. Unvermittelt sprang er auf. »Ich habe genug von euch Düsteren «, knurrte er. Seine Glutaugen erinnerten an einen Feuersturm. »Beklagenswerte Gestalten seid ihr, nichts weiter. Gebt der Stadtfrau eines der Boote, damit sie hinüber kann …«
»Was bildest du dir ein, he, wer du bist?«
»Ich bin ein Gott.«
Nicht schon wieder. Naave wollte das Gesicht in den Händen vergraben.
Die Männer
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