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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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wird dich beruhigen.« Das war falsch – es linderte nur die Schmerzen. Aber es konnte nicht schaden, wenn sie das glaubte.
    Royia schnitt das Kanu los. Als er mit dem Dolch über die Ameisenbisse kratzte, fiel sein Blick darauf. Der Griff war aus poliertem Gestein, in Form einer gedrungenen Figur mit übertrieben großen Händen und Kopf. Sie trug eine Art Federkrone und einen Mantel. In einer Hand hielt sie wiederum einen Dolch.
    Er hatte den Priester gesehen. Den, von dem Naave sagte, sie wäre seine Tochter. Aber nur flüchtig; er konnte sich erinnern, dass jener von ganz anderer Gestalt als dieses kleine ungestalte Figürchen war. Trotzdem vermutete er, dass es ihn darstellte.
    Dieser Mann hatte verlangt, dass sie ihn, Royia, tötete. In wie viele Opfer hatte er eigenhändig diesen, genau diesen Dolch gestoßen?
    … deshalb machen wir das. Menschenblut für Sonnenlicht. Aus Dankbarkeit, dass es immer da ist. Und natürlich, damit es nie wieder verschwindet. Das war Naaves Erklärung gewesen. Die Städter töteten aus Furcht. Wie dunkel musste eine Seele sein, dass sie Menschenopfer darbrachte, um sich bei den Göttern einzuschmeicheln? Die verdorbene Stadt, so hatte man sie früher genannt. Seit langer Zeit nannte man sie nur noch die Stadt  – weil es keines zusätzlichen beschreibenden Wortes bedurfte. Die Stadt und Verderbtheit, das war eins.
    Er schob das Kanu zurück ins Wasser, sprang hinein und umrundete den Angua mitsamt seiner tödlichen Hülle. Die Suche ging weiter, denn um Naave zu retten, brauchte es ein anderes Mittel. Eines, das sehr viel schwieriger zu beschaffen war.
    Warum tat er das? Um der Stadtfrau zu helfen? Sie verdiente es nicht. Aber vielleicht war das auch nicht der Grund.
    Vielleicht brauche ich diese Ablenkung, weil sie mich davon abhält, über meine eigene Lage zu schreien.
    • • •
    Er schloss die Augen, schickte in Gedanken einen lockenden Laut. Wartete auf einen Ruf, ein Geräusch, irgendeine Antwort.
    Nichts.
    Zusehends wurde es dunkler. Hier unten war schwer zu unterscheiden, ob nur das Sonnenlicht seinen Weg schlechter fand oder ob es dämmerte. In der Nacht würde man die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Er hielt nach Harzklumpen an Baumrinden Ausschau und wurde rasch fündig: Am verwitterten Stamm eines niedrigen, knorrig gewachsenen Baumes klebten mehrere Klumpen in Faustgröße. Er schnitt alle herunter und stapelte sie im Boot. Nun fehlte noch eine Nadel oder ein schmaler Dorn. Oben im Lichtwald nutzte man dafür die Nadeln des Windwerfers, aber diese Pflanze brauchte Sonne; sie wuchs schwerlich hier unten. Schließlich entdeckte er die langen Dornen eines kugeligen Gewächses. Sie abzuhauen, kostete einige Kratzer an der Hand.
    Es störte ihn nicht. Wichtig war nur, dass er Licht hatte.
    Hinter ihm stöhnte Naave. »Ich habe Durst.«
    Es war nur ein Wispern. Royia drehte sich um. Naaves Augen waren geschlossen. Von einer Liane schnitt er ein armlanges Stück ab und wrang es über ihr aus. Klare Flüssigkeit troff in ihren Mund. Sie schluckte gierig.
    »Hast du Hunger?«, fragte er.
    Es kam nur ein fiepender Laut, den er als nein deutete. Ein Blick auf ihr gerötetes Kleid verriet ihm, dass die Wunde unvermindert blutete.
    Er paddelte weiter, durch einen düsteren Wald riesiger Anguas, die von den tödlichen Griffen der Würgerpflanzen umschlungen waren. Mücken schwirrten, handtellergroße Libellen huschten über ihn hinweg. Dass der Unterwald laut gewesen war, merkte er erst, als Stille einkehrte. So still war es am Berg, als ich von dem Plateau fiel. Deutlich vermeinte er nun einen Herzschlag zu hören. Ein schwarzer Fels ragte zwischen den Bäumen auf, ein Schatten, wie ein Eingang in die Unterwelt. Ja, von ganz oben kam der Herzschlag. Vorsichtig schickte Royia einen Gedanken voraus.
    Er empfing verwirrte Laute.
    Wieder band er das Boot an einem Stamm fest. Allmählich war es so dunkel, dass er einen der Klumpen verbrauchen musste. Er stieß einen Dorn hinein. Die Larve des Leuchtkäfers, die vom Harz umschlossen war, entzündete sich. In seiner Hand ging der Klumpen in Flammen auf. Er warf ihn zwischen den Anguas hindurch in Richtung des Felsens – damit Pflanzen und Pilze wenigstens einen Teil ihrer tödlichen Fäden und Stacheln verschossen. Am oberen Rand des Felsens bemerkte er eine schattenhafte Bewegung. Von irgendwo seitwärts kam ein Zischen. Unwillkürlich riss Royia einen Arm vor das Gesicht, wenngleich er wusste, dass es ihm nichts helfen

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