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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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herum.
    »Allmächtige …«, hauchte sie und schlug sich vor den Mund.
    Er stand über ihr. Sein Haarstrang im Nacken hatte sich gelöst; seine schwarzen Haare lagen wirr um seine Schultern. Sein rechter Arm hing schlaff herab, während der andere über ihm an die Röhre gebunden war. Den Kopf hatte er an den gestreckten Arm gebettet. Tief atmete er, als schliefe er. Ob er die Augen geschlossen hielt, konnte Naave jedoch nicht sagen – er stand mit der Brust in die Rundung der Würgerpflanze gelehnt.
    Wer hatte ihn an die Verschlingungen der Pflanze gefesselt? Und warum?
    Zwischen den Strähnen leuchtete seine Rückenwunde, aus der Naave – gestern erst? – den Dorn gezogen hatte. Über ihm schimmerten die Holzwülste mattgolden. Hier in dieser geschlossenen Schlingpflanzenröhre, durch die kein Tageslicht drang, weil es vermutlich noch Nacht war, wirkte dieses Wunder um ein Vielfaches beeindruckender.
    Ein Wunder? Eher ein Fluch.
    Ein rotglühender Tropfen sickerte aus der Wunde an seiner Wirbelsäule herab. Flüssiges Feuer …
    Naave presste sich an die Wand. Ausweichen war unmöglich. Der Tropfen fiel. Heiser schrie sie auf.
    Was ihr Knie traf, war nur noch ein Blutstropfen.
    Allmählich beruhigte sie sich, verdrängte den Gedanken eines Feuers, das diese trockene Pflanze, die sie beide umschloss, in Brand setzte.
    Wäre nicht das Licht, würde er gar nicht wie ein Dämon aussehen. Sondern durchaus menschlich. Gut, da waren diese Narben. Manche Tempelwächter malten sich rote Striemen auf die Arme, um sich der Gunst des Schwertgottes Xipe To zu versichern. Die Narben des Dämons waren glatt, hell schimmernd, manche gerade und klein, manche länger als eine Hand und geschwungen, manche wie ein Kreis – ein Muster bildend, das sich gleichmäßig über den Rücken, über Schultern und die Arme hinab bis zu seinen Fingern wand. Naave fragte sich, wie dieser Mann, Dämon oder nicht, noch leben konnte.
    Und wer ihm das angetan hatte und warum.
    Nun, warum  … Das Licht sprach eine deutliche Sprache. Es kam aus seinem Inneren, also hatte man seine Haut geöffnet, um es zu …
    … zu ernten, dachte sie.
    Allerdings war der Grund sicher nicht, über Licht zu verfügen. Eine Lampe zu entzünden, war einfacher.
    Gütiger Tique, ich will eigentlich gar nichts darüber wissen.
    Sie krallte die Finger in die Spalten der Holzwülste und arbeitete sich in eine aufrechte Haltung. Fest musste sie die Zähne zusammenbeißen, bis sie es geschafft hatte. Sie spannte die müden Beinmuskeln an, um sich davon abzulenken, so nah bei dem Dämon zu stehen. Ihre Haut lag an seiner – es war unvermeidlich, und wenn sie noch so sehr den Rücken gegen die Wand presste. Er roch nach dem erdigen Wasser und ein wenig nach Schweiß. Nicht unangenehm. Als ein Laut aus seiner Kehle kam und er den Kopf bewegte, hielt sie den Atem an.
    Das Licht pulste aus der Wunde. Nicht wie eine Flamme, eher wie ein gleißend heller Sonnenstrahl, der durch eine Öffnung fiel. Naave wagte es hineinzufassen.
    Es war heiß!
    »Finger weg!«
    Erschrocken sackte sie zurück in die Knie; die rasche Bewegung sandte einen Stich durch ihre Brust.
    »Fass nicht in das Licht.« Seine Stimme war rauh und matt. »Es ist Feuer.«
    Als ob ich das nicht wüsste! Sie lutschte an den Fingern.
    Er hob den Kopf, ließ ihn wieder sinken. Sein Wadenmuskel, an den sich ihr angezogenes Bein schmiegte, spannte sich an. Mit der freien Hand tastete er an den Wülsten hinauf und versuchte sich zu halten.
    »Was ist mit dir los?«, fragte Naave. »Warum bist du da angebunden? Wer hat das gemacht?«
    »Ich … selbst.«
    War er verrückt geworden? Doch dann begriff sie. Nur der gefesselte Arm hielt ihn davon ab, in der Enge der Röhre auf sie zu fallen. Am Boden war kein Platz für zwei Menschen. Nur – was taten sie hier überhaupt?
    Sie spürte die Spannung, die seinen Körper erfasste, da er sich mühte, aus eigener Kraft zu stehen. Bei Tique – wie lange hielt er das schon aus?
    »Ich … habe dich zu einem Axot gebracht. Besser gesagt … das Axot zu dir. Ihr Speichel heilt … Wunden.« Jedes Wort sprach er langsam und bedächtig, wie eine Hürde, die seine müde Zunge überwinden musste.
    Was sagte er da? Axots waren wilde Tiere! Die konnte man nicht einfach … herbringen.
    Sie dachte an Tzozics Fliegendes Axot. An die Axothaut und die Krone aus Axotfedern, die der Hohe Priester zu besonderen Anlässen trug. Zumindest beim Opfer des Festes; zu anderen

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