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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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Gelegenheiten bekam das Volk ihn ja selten zu sehen. Ein lebendes Tier hatte Naave noch nie erblickt. Es waren legendenumrankte Waldwesen, die sich niemals am offenen Himmel zeigten. Woher wohl das Axotleder des Hohen Priesters stammte? Vermutlich hatten Waldmenschen, Düstere, sie irgendwann in die Stadt gebracht. Und nun sollte ein solches Tier … »Es hat auf meine Wunde gespuckt? Das ist doch unmöglich!«
    »Du hast recht, Axots können nicht spucken. Es hat deine Wunde … abgeleckt.«
    Plötzlich dämmerte ihr, dass der Traum gar keiner gewesen war. Über ihr war tatsächlich ein Axot erschienen. Mit Royia auf dem Rücken.
    Er war wirklich ein Dämon. Ein Mensch wäre dazu niemals fähig gewesen. Ihr Blick wanderte erneut an seiner schlanken Gestalt voller geschmeidiger Muskeln und Sehnen hinauf und blieb an der lichtblutenden Wunde hängen. Ihr Herz schlug schnell. Vor Angst, wegen der Enge; sie wusste es nicht. Sie fühlte sich wie ein gereiztes Tier in der Falle. War dort oben, eine Speerlänge über dem Dämon, eine Öffnung in der Würgehülle? Dahinter war tiefschwarze Nacht, doch das war ihr jetzt gleich. Sie musste hinaus!
    Naave kämpfte sich zurück auf die Füße. Das Stechen in der Brust missachtend, krallte sie Zehen und Finger in die Spalten der Wülste. Aber zum Klettern fehlten ihr Kraft und Platz; sie kam nur ein kleines Stück weit. Unwillig knurrend drehte sich der Dämon und hob den Kopf. Seine Augen waren dicht vor ihren. Sein Blick jagte Schwäche in ihre Glieder, so dass sie auf den Boden gesackt wäre – hätte er nicht plötzlich den freien Arm um sie gelegt.
    »Du … kannst … nicht … hinaus.« In jedem leisen Wort steckte das Aufbegehren gegen den Schlaf.
    Es war unerträglich, so von ihm gehalten zu werden. Ihre Haut kam ihr viel zu empfindsam vor – sie spürte seine Fingerkuppen im Rücken, die Wärme seines straffen Leibes. Den heißen Atem, der über ihr Gesicht strich. Sie senkte die Lider, starrte stattdessen auf die Reihe winziger schwarzer Lavaperlen an der auf seiner Brust ruhenden Lederschnur. Vierzehn waren es. Das war ihr bisher nicht aufgefallen.
    Vierzehn kleine schwarze Monde.
    »Schau nach …«, langsam sackte seine Hand herunter; Naave glitt zurück auf die Füße. »Nach …«
    »Ja?«
    Er warf den Kopf zurück, im Bemühen, sich wachzuhalten. »Kleine … Nadeln … ziehen … du musst …«
    Seine Hand grub sich in ihr Haar, presste ihre Wange an seine Brust.
    »Musst …«
    Sie machte sich los und ging in die Knie. So ganz hatte sie nicht verstanden, was er wollte. Nadeln? Kleine Nadeln? Da entdeckte sie in dem schwachen Licht einen winzigen Stachel in seiner Haut, oberhalb des Knies. Er war kaum länger als ein Fingernagel und so dünn, dass er, als sie ihn herauszog, nur einen winzigen roten Punkt zurückließ. Machten diese Nadeln ihn so schläfrig? Naave legte die Hände an seine Füße und tastete sich an seinen Beinen hinauf.
    Unter den Fingerkuppen erspürte sie die Erhebungen all der Narben, Muskeln und Sehnen. Es ist nicht schlimm, ihn anzufassen, gar nicht, redete sie sich ein. In einer Kniekehle fand sie einen weiteren Stachel. Die Schenkel berührte sie nur so weit, wie sein Schurz reichte. Dann richtete sie sich wieder auf, legte die Hände auf seinen Bauch.
    Es war überhaupt nicht schlimm. Ganz und gar nicht.
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf, strich über Brust und Arme. Nein, hier musste sie nicht suchen; was er erreichen konnte, hatte er sicher selbst fortgewischt. Also tastete sie um ihn herum und fand auf dem Rücken eine stattliche Anzahl kleiner Stacheln. Sorgfältig zupfte sie sie aus und ließ sie fallen.
    »Geht es dir jetzt besser?«, fragte sie.
    Er nickte brummend.
    »Können wir jetzt hinaus?«
    »Wir … müssen die Nacht abwarten.« Er presste den Handballen gegen die Augen, blinzelte und schüttelte sich. »Die Giftnaua schläft am Tag; erst dann können wir hinaus.«
    Naave verstand nicht, was er meinte. Nur so viel: Er hatte Unmögliches getan, um ihr zu helfen.
    Erschöpft von dieser Erkenntnis sackte sie in die Hocke. Ein Feuerdämon hatte ihre Mutter umgebracht. Ein Feuerdämon hatte ihr Leben gerettet. Ihr war, als wollten die Götter sie um ihren Hass betrügen. Müde legte sie die Wange auf die Unterarme und nickte ein.

7.
    N aave schlüpfte aus der Umklammerung der Würgerpflanze und kletterte hinter dem Dämon an ihrer Außenseite hinunter. Ein schlankes Gewächs stand wie eine unschuldige Frau

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