Feuer der Götter: Roman (German Edition)
nur. Eine Hand in ihr Haar gekrallt, so dass sie sich kaum rühren konnte, ging seine andere auf Wanderschaft. Er war selbst eine verdorrte Pflanze, oder weshalb machte ihm ihr Knie nichts aus, das sie in sein Gemächt rammte? Aber sie ahnte, dass es nicht lange brauchen würde, sich zu voller Mannesblüte zu entfalten. Und dass es hier keinen gab, der ihr beistünde.
»Lass mich los!«, brüllte sie mit aller Kraft in seinen Mund, der sich ihr wieder gefährlich näherte. »Mein Begleiter ist wieder gesund, und er wird euch alle töten, wenn ihr mich nicht anständig behandelt!«
»Wirklich?«
»Ja!« Inständig hoffte sie, dass ihm der Axotsud die alte Stärke zurückgegeben hatte. Royia könnte den Käfig einfach wegbrennen! Allerdings hatte sie es nicht mehr geschafft, seine Drahtfessel zu entfernen oder es wenigstens zu versuchen; zu schnell war sie eingeschlafen. Und wenn der Käfig brannte, würde Royia ins Wasser fallen und womöglich ertrinken. »Er hat übernatürliche Kräfte. Er kann euch alle mit einem Wink töten!«
An ihrem Nacken hielt er sie auf Abstand und musterte sie. »Ja«, erwiderte er nach einer Weile. »Er ist ein Abkömmling des alten Lavavolks, das ist nicht zu übersehen.« Mit der freien Hand ahmte er Royias Feuerzeichnung nach. »Feuerdämon, so nennt man so einen in deiner Stadt.«
»Feuerdämon?«, fauchte sie ihm ins hässliche Gesicht. »Er ist ein Gott!«
• • •
Der Mann, der sich Häuptling dieser erbärmlichen Siedlung nannte, legte einen Arm um Naaves Schultern. Ein Anblick, der Royia missfiel. Ihre Hände waren vor ihrem Bauch gekreuzt und mit rauen Stricken gefesselt. Ein nicht minder rauhes Basttuch, zu einem dicken Strang gewunden, teilte ihre Lippen. In ihren Augenwinkeln standen Tränen; und sie schniefte und schluckte, um sie nicht vollends fließen zu lassen.
»Dieses stachlige Izeloweibchen scheint zu glauben, dass du für sie kämpfen willst«, sagte Pemzic. Der Blick, mit dem er Naave bedachte, war wohlwollend. Auf eine unangenehme Art wohlwollend. »Wirst du es tun?«
Royia spannte die Armmuskeln an, um die Steifheit loszuwerden. Noch fühlte er sich benommen. Was war geschehen? Das Gift in seinem Körper hatte ihn irgendwann übermannt. Er meinte sich zu erinnern, dass er in jenem Augenblick auf Naave gehockt hatte, aber ganz sicher war er sich nicht. Dann hatte er die Wächter der Toxinacen oben in den Ästen bemerkt. Und dann? Eine Zeitlang war ihm, als hätte ihn ein riesenhafter Mann über die Schulter geworfen und schleppte ihn durch den Unterwald. Er nahm an, dass er nicht die ganze Zeit bewusstlos gewesen war, aber alles, was er gesehen und gehört hatte, erschien ihm so durcheinander und unverständlich wie wirre Fieberträume. Als er erwacht war, nicht mehr erhitzt und mit halbwegs klarem Kopf, hätte er geschworen, dass ein Jahr vergangen sein musste.
Und in diesem Jahr war offenbar einiges geschehen.
»Womit habt ihr mich behandelt?«, fragte er, um die nötige Zeit zu gewinnen, die letzten Nebelschwaden aus seinem Schädel zu bekommen. Diese Leute waren keine Wächter, die im Dienst der Priesterschaft standen. Es waren auch keine gewöhnlichen Waldmenschen. Sie hausten am Boden, also waren es Düstere. Nur dass sie tief im Wald lebten.
Der Grund hierfür interessierte ihn brennend. Stammte der Mann, der ihm das Kerbzeichenholz zugesteckt hatte, von hier? Royia ließ möglichst unauffällig den Blick schweifen. In den hängenden Hütten dieses ungewöhnlichen Dorfes hockten Frauen und Kinder, und oben am Rand des Wasserloches hatten sich an die fünfzig Männer jeglichen Alters versammelt. Der Gesuchte war nicht darunter. Was nichts heißen musste; vielleicht hatte ihn ja inzwischen eine hungrige Cijac erwischt.
»Du hast eine bestimmte Sorte Axotsud getrunken«, erwiderte der Häuptling, eine dürre, üble Ausdünstungen verbreitende Gestalt. Noch ein Beweis, dass er ein Düsterer war. Kein Vergleich zum Oberhaupt von Royias Stamm, der selbst mit seinem affenartig gekrümmten Rücken, den ihm sein neunzigjähriges Dasein beschert hatte, einen erhabenen Eindruck machte. »Und zwar reichlich!«
Es klang wie ein Vorwurf, als hätte Royia sich selbst bedient. Aber da täuschte er sich wohl. Nun, es konnte nicht schaden, sich erkenntlich zu zeigen. »Ich danke euch dafür.«
Naave biss wutentbrannt in das Basttuch.
»Weshalb habt ihr sie geknebelt?«
Pemzic verdrehte die Augen. »Von allein weiß sie nicht zu schweigen, wenn es angemessen
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