Feuer der Nacht
»Hast du noch weitere Hiobsbotschaften auf Lager? Ansonsten nehme ich an, dass der Bräutigam eingetroffen ist und die eigentliche Hochzeit nun über die Bühne gehen kann.«
»Ja, und Peach hat eine ihrer Freundinnen angerufen – sie ist die reinste Zauberkünstlerin in Sachen Make-up. Sie hat für das Mädchen einen Termin vereinbart. Morgen Abend wird keiner merken, dass eine der Braujungfern ein Veilchen hat.«
Peach war Madelyns Freundin und Assistentin, gemeinsam konnten die beiden Frauen wahre Wunder vollbringen – der Hauptgrund, weshalb Premier nicht nur überlebte, sondern mit Profit arbeitete. Die beiden kannten so ziemlich jeden, der in Buckhead und Umgebung Rang und Namen hatte. An Premier war eines anders: die Fähigkeit, jedwede Situation zu meistern. Und in dieser Hinsicht war Jaclyn sicher die Tochter ihrer Mutter.
Hochzeiten mitten unter der Woche waren selten, aber so ungewöhnlich auch wieder nicht. Dem glücklichen Paar war es gelungen, die Räumlichkeiten für den Empfang zu einem Schnäppchenpreis zu ergattern, und sie waren nicht gezwungen, Monate abzuwarten, bis die Kirche für die Zeremonie zur Verfügung stand. Der Event war keine große, extravagante Angelegenheit, aber Premier managte Hochzeiten aller Preiskategorien, und wie viele Aufgaben Jaclyn und Madelyn übernahmen, hing stets davon ab, wie viel Geld die Braut ausgeben wollte.
Madelyn seufzte und stellte die unvermeidliche Frage: »Wie ist dein Termin mit der Teufelsbraut gelaufen?«
»Ich habe sie nicht abgemurkst, falls deine Frage darauf abzielt«, antwortete Jaclyn trocken. Obwohl eigentlich sie für das Management von Carrie Edwards’ Hochzeit zuständig war, teilte sie ihrer Mutter jede Einzelheit mit. Madelyn und Peach waren über die Probleme mit Carrie voll informiert.
»Diedra hat heute Nachtmittag mit Peach geredet und sie ins Bild gesetzt. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn niemand über die Braut etwas Nettes zu sagen weiß. Da fragt man sich schon, ob der Bräutigam bei Verstand ist. Selbst wenn sie das Chrom von der Stoßstange ablutschen kann, gibt es keinen Blowjob auf Erden, der so toll wäre, dass es sich lohnte, mit ihr zusammenzuleben.« Während sich Jaclyn über die derbe Beleidigung, die ihre Mutter in ihrem damenhaften Südstaatenakzent gerade losgelassen hatte, noch vor Lachen bog, fügte Madelyn hinzu: »Es ist eine große Hochzeit, das Geld stimmt auch, aber ich schwöre dir, wenn wir gewusst hätten, was für einen Ärger wir uns damit einhandeln, dann hätten wir den Auftrag abgelehnt – wie einen stinkenden Fisch.«
Sie alle zählten die Tage, bis Carries Hochzeit abgewickelt war. Seit sie im Geschäft waren, hatten sie es immer wieder mit Kapriolen zu tun bekommen: verärgerte Bräute, fordernde Bräute, Bräute, die plötzlich in Tränen ausbrachen, Bräute, die angeblich Stimmen hörten, dass sie jemanden umbringen sollten. Und dann waren da noch die Mütter der Bräute, die noch schlimmer sein konnten, und die fürchterlichen Brautjungfern, die Bräutigame, die Eltern des Bräutigams, das kreischende Blumenmädchen und der Ringträger … Die Liste ließ sich ewig fortsetzen. Aber noch nie waren sie so erpicht darauf gewesen, die Klientin endlich loszuwerden. Carrie Edwards würde in die Geschichte eingehen – als fürchterlichste Monsterbraut aller Zeiten, die Maßstäbe setzte.
Jaclyn seufzte. Die meisten Bräute waren absolut reizende, glückliche Frauen. Oft war es sogar ein Vergnügen, für sie zu arbeiten. Es war schade, dass ein paar faule Äpfel den Ruf vieler verdarben.
»Du rufst vom Handy aus an. Sitzt du im Auto?«, fragte Madelyn.
»Ich bin auf dem Heimweg.«
»Ich dachte, du wärst schon zu Hause; hast du Überstunden gemacht?«
»Ich habe in einer Kneipe auf einen wohlverdienten Drink vorbeigeschaut.«
»Das hätte ich nach der Hochzeitsprobe auch tun sollen, aber ich wollte unbedingt heim und die Schuhe ausziehen. Ich habe mir heute eine Blase am Fuß gelaufen. Wenn du mich je wieder in diesen marineblauen Schuhen siehst, kannst du mir eine knallen.«
Madelyn war zum Probedinner eingeladen worden, hatte jedoch wie immer abgelehnt. Nach einem langen Tag – Blase am Fuß hin oder her – war Tiefkühlkost vor der Glotze immer noch besser, als noch ein paar Stunden Dienst zu schieben. Und außerdem hatten sie schon genug zu tun; und die Teilnahme am Probedinner bedeutete, dass man stundenlang mit Leuten, die man gar nicht kannte und nach den Feierlichkeiten auch
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