Feuer der Nacht
Sexbeziehung, eine Liebesbeziehung, Freundschaft oder Feindschaft war, egal. Selbst wenn der betroffene Mann nun auf dem Heimweg ihre Gedanken bestimmte. Sie wollte nicht über Männer nachdenken, nicht über ihn im Besonderen und nicht über Männer im Allgemeinen. Sie wollte gedanklich den Arbeitsplan der kommenden Woche durchgehen, weil sie und Madelyn nun gleich in den Irrsinnsterminplan einsteigen mussten, zu dem auch das Treffen mit Carrie Edwards und den armen schikanierten Selbstständigen gehörte, die sie ausgewählt hatte. Sobald Carries Hochzeit über die Bühne war, wäre Jaclyn wohl allen eine demütige, herzliche Entschuldigung schuldig.
Sah man einmal von dem Irrsinnsterminplan ab, hatte Jaclyn eigentlich keine Einwände gegen einen Mann in ihrem Leben. Eigentlich wünschte sie sich sogar einen. Sie wollte ihr Leben nicht allein verbringen. Zu heiraten und irgendwann auch einmal Kinder zu haben gehörte ganz klar zu ihrem langfristigen Lebensplan. Eines Tages würde sie einen Mann finden, den sie liebte und der sie liebte, und dann würden sie sich zusammenraufen, ein oder zwei Kinder kriegen und miteinander alt werden. Ihre erste Ehe war ein Flop gewesen, aber das bedeutete nicht, dass sie den Männern abgeschworen hatte. Sie war einfach nur vorsichtiger geworden. Nun gut, vielleicht ja zu vorsichtig. Aber irgendwann einmal …
Aber jetzt war nicht »irgendwann einmal«, sondern eben jetzt. Und sie hatte alle Hände voll zu tun. Ein Mann wie Eric Wilder kostete Zeit. Das wusste sie instinktiv, obwohl sie bislang nur eine Stunde – wenn überhaupt – mit ihm verbracht hatte. Er bestand ja vielleicht nicht auf der ungeteilten Aufmerksamkeit einer Frau, aber sie hatte das Gefühl, dass er sich allein aufgrund seiner starken Persönlichkeit ebenso wenig ignorieren ließe wie ein Elefant im Wohnzimmer. Heute Abend hatte er seinen Charme spielen lassen, aber das bedeutete nicht, dass sie hinter seinen gelackten Manieren nicht seine Kraft spürte. Generell galt: Aus einem Weichei wurde kein Bulle. Und generell galt auch, dass Polizisten ständig im Einsatz waren, selbst wenn sie freihatten, dass sie Überstunden machten, unregelmäßige Arbeitszeiten hatten, und dass eine Frau, die mit einem Detective eine Beziehung einging, akzeptieren musste – wie bei einem Arzt auch –, dass es keinen Acht-Stunden-Tag gab, und zwar weder beim Dienstplan noch was die Prioritäten anging. Eric würde ihr wohlgeordnetes Leben nur ins Chaos stürzen.
Aber nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, sich von ihm ins Chaos stürzen zu lassen.
Mist!
Verärgert, weil ihre Gedanken immer wieder einen Weg zu ihm fanden, wühlte Jaclyn in ihrer Handtasche herum, griff sich das Handy und tippte die Kurzwahl ihrer Mutter.
Ihre Mutter antwortete mit ihrem üblichen, selbstbewussten »Madelyn Wilde«; in ihrer Stimme schwang ein Südstaatenakzent mit, der tiefer und ausgeprägter war als bei Jaclyn. Bei Madelyn konnte sich ein Wort mit zwei Silben in ein viersilbiges verwandeln – langsam, einschmeichelnd und mit einem getragenen Charme, der in keiner Weise ihr Wesen widerspiegelte. Madelyn war zweifelsohne charmant, aber sie war auch hart im Nehmen und unerschrocken. Sie war für Jaclyn ein Fels in der Brandung gewesen, als ihre Ehe den Bach hinunterging, aber vielleicht hatte sich ihre Mutter auch nur revanchiert, denn Jaclyn hatte sie viele Male während der Trennungsphase von ihrem Dad getröstet.
»Wie ist die Hochzeitsprobe gelaufen?«, fragte Jaclyn. Manchmal erledigte sie mit ihrer Mutter die Pflichten bei einem Event gemeinsam – wenn die Buchungen langsam liefen; aber wenn es wirklich hoch herging, teilten sie die Arbeit untereinander auf. Und diese Woche ging es wahrlich mehr als hoch her.
»So glatt wie erwartet«, antwortete ihre Mutter gedehnt; ihre Stimme klang ruhig und amüsiert. »Der Bräutigam ist zu spät gekommen, die Braut hat einen hysterischen Anfall gekriegt, weil sie meinte, er würde sie vor dem Traualtar sitzen lassen, und dabei waren sie noch nicht mal am Altar angekommen, aber was soll’s; und eine der Brautjungfern ist mit einem blauen Auge aufgekreuzt. Eine Tür, wie sie sagte, aber diese Geschichte hat ihr keiner abgekauft. Ich habe gehört, dass sie sich auf der Frauenparty einen angesoffen hat, die Bowle umgerissen und sich die Schöpfkelle ins Auge gerammt hat.«
Jaclyn stellte sich einen Augenblick das Szenario vor und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie sagte:
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