Feuer der Nacht
Stelle wäre ich mit solchen Aussagen sehr vorsichtig. Sie könnte Sie wegen Geschäftsschädigung verklagen und würde vermutlich sogar Recht bekommen. Sie hat schon für überaus bedeutende Frauen dieser Stadt Kleider geschneidert, und einige könnten sich auf ihre Seite schlagen. Und ich muss Sie warnen: Sie hat viele enge Freunde in diesem Geschäft – es ist fast schon wie eine Zunft. Und überaus angesehen ist sie auch, vor allem im Südosten. Falls Sie sich je wieder ein Gewand schneidern lassen wollen, würde ich Ihnen nahelegen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die Kleider für die Brautjungfern sind fertig, sie sind wunderhübsch, und jetzt ist es Zeit, die anderen Themen anzugehen.«
Carries Kiefer verspannte sich, und einen Augenblick dachte Jaclyn, sie würde aufspringen und sie angreifen. Carrie konnte es wahrlich nicht ertragen, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte. Ach, die armen Selbstständigen, die nachher noch mit ihr zu tun bekamen. Wenn sie sie doch nur hätte vorwarnen können! Doch die Achterbahn rauschte bereits bergab; sie konnte bestenfalls noch Einhalt gebieten.
6
Carrie stierte mit versteinerter Miene auf den Tisch vor sich, auf dem allerlei Proben verstreut lagen: die Reste vom Kuchen, den sie hatte kosten sollen, vom Kebab mit Krabben und Muscheln, vom Rindfleischkebab, Lammkebab und Fleischklößchenkebab. Fleischklößchen! Als würde sie auf ihrer Hochzeit etwas derart Profanes offerieren. Sie waren zwar lecker gewesen, aber ein Fleischklops war eben ein Fleischklops, ganz egal wie raffiniert er gewürzt war und welche Art Fleisch dazu verwendet wurde. Es hätte eine exotische Mischung aus Aal und Emu sein können, egal. Fleischklops blieb Fleischklops.
»Die Fleischklopse können Sie vergessen«, verkündete sie barsch. »Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben. Das ist keine schäbige Mittelschichthochzeit, auf der die Hälfte der Frauen schwarze Seidenstrümpfe zu weißen Schuhen trägt.«
»Die Fleischklopse werden am liebsten bestellt«, erwiderte die Dame vom Catering, eine dünne, fast maskulin anmutende Frau mit kurzem stahlgrauem Haar und strenger Miene. »Außerdem sind sie am teuersten, denn die Herstellung ist ein Riesenaufwand; die meisten entscheiden sich für preiswertere Lösungen.«
Carrie hätte dem Luder am liebsten eine reingehauen. Sie warf einen späten Blick auf die Preisliste, um sich zu vergewissern, dass die Frau sie nicht anlog. Ja, da stand es in schwarzen Lettern auf schwerem cremefarbenem Papier: Die Fleischklopse waren um ein Drittel teurer als selbst die Kebabs mit Krabben und Muscheln. Und jetzt hing sie an den billigen Alternativen fest, weil ein Meinungsumschwung schlichtweg unmöglich war. Sie konnte nur noch etwas aussuchen, das noch mehr kostete als die Fleischklößchen.
»Ich möchte drei Varianten: mit Muscheln, mit Lamm und mit Rindfleisch. Auf diese Weise haben meine Gäste wirklich die Wahl.«
Was das Geld anging, machte sie sich jedenfalls keine Sorgen. Seans Familie kam für den Großteil der Kosten auf, ihre Eltern konnten sich eine derartige Extravaganz nämlich absolut nicht leisten. Sie steuerten etwas bei, klar; schließlich wollten sie nicht, dass ihre Schwiegermutter in spe dachte, sie sei eine Schnorrerin. Momentan kamen sie gut miteinander klar, und so sollte es erst auch einmal bleiben, zumindest wenn es nach Carrie ging. Später dann … Wer vermochte das schon zu sagen?
Die Dame vom Catering-Service ließ keine Bemerkung über Carries Auswahl fallen; sie machte sich bloß Notizen, was Carrie umso mehr irritierte, denn das Mindeste, was die Frau hätte tun können, war, einen Kommentar wie hervorragend gewählt abzugeben. Vielleicht sollte sie der Hochzeitsdesignerin ja sagen, dass sie einen anderen Catering-Service auftreiben solle, aber Jaclyn war zickig, wenn sie tun sollte, worum man sie bat, und würde vielleicht bloß verkünden, dass alle guten Caterer Monate im Voraus ausgebucht seien.
Sie wollte die Hochzeit des Jahres feiern. Sie wollte eine Hochzeit, von der alle künftigen Bräute voller Neid sprechen sollten, wenn sie ihre eigene Feier planten. Es war frustrierend, dass niemand ihre Vorstellung von einer ebenso stilvollen wie auch exotischen Hochzeit teilte, die enorm teuer, dabei aber doch so geschmackvoll war, dass niemand ihre Entscheidungen belächelte. Und es war auch verdammt frustrierend, dass viele Leute wild entschlossen schienen, andere an einem Tag brillieren zu
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