Feuer der Nacht
bleiben, und das brachte sie so in Rage, dass sie am liebsten die Schere genommen und etwas zersäbelt hätte – am besten Gretchen, die verdammte Schneiderin. Und wenn sich Jaclyn nicht bald kooperativ zeigte, dann musste sie sich einen akzeptablen Ersatz suchen.
Wäre sie in besserer Stimmung gewesen, hätte ihr dieses Spektakel vielleicht Spaß gemacht – die vielen Leute, die sich alle bemühten, sie zufriedenzustellen. Aber die Kleiderfrage hatte ihr den Tag verdorben. Sie musste sich noch mit dem Schleier und der Torte beschäftigen, die Musik aussuchen, die die Band spielen sollte; und alle sagten, sie müsse sich jetzt entscheiden, weil die Zeit knapp würde und sie noch andere Verpflichtungen hätten, die sie hinderten, dieses und jenes zu tun und bla-bla-bla , weiß der Geier – endlose Ausreden eben, weil sie nichts in ihrem Sinn auf die Reihe kriegten.
Nach der Hochzeit würde sie schon die entsprechenden Bemerkungen über die Inkompetenz von allen fallen lassen. Dann würden sie sehen, wie es war, wenn das Geschäft den Bach runterging. Und am übelsten würde sie sich über Premier auslassen. Alle hatten ihr gesagt, dass Premier von sämtlichen Eventdesigern das beste Renommee habe, und natürlich hatte der Firmensitz in Buckhead das Unternehmen noch attraktiver gemacht. Aber Jaclyn Wilde hatte sich als echte Nervensäge entpuppt, weil sie sich nämlich auf die Seite dieser Blödmänner geschlagen hatte, die behaupteten, sie könnten nicht machen, was sie angeordnet hatte. Jaclyn sollte alles arrangieren und sich nicht irgendwelche Ausreden einfallen lassen. Stattdessen hatte sie total versagt, ihre Hochzeit spektakulär zu gestalten.
Die dickliche Latina namens Estefani, die den Schleier anfertigen sollte, breitete ihr Buch mit Fotos vom Kopfschmuck für Bräute aus, der von einfachen Stirnbändern bis hin zu prächtigen Tiaren reichte, dazu Stoffmuster. Wer hätte ahnen können, dass es so viele Möglichkeiten für einen Schleier gab, von Tüll bis zu hauchzartem Voile, der so duftig war, dass er schier zu schweben schien? »Die sind alle langweilig«, erklärte Carrie kurz und schob das Buch weg. »Haben Sie nichts mit Pfiff? Schwarz vielleicht?« Ihr Hochzeitskleid wies eine schmale schwarze Borte unter der Büste auf, und somit stand Schwarz nicht völlig außer Frage, aber natürlich würde sie nie mit einem schwarzen Schleier gehen. Aber zu sehen, wie die Frau entsetzt mit den Augen rollte, wie sie versuchte, sich in den Griff zu kriegen, war recht amüsant, sie könnte also eine Weile mit dieser Idee spielen – einfach um ein bisschen Stunk zu machen, bevor sie sich für eine klassischere Lösung entschied. Hinsichtlich der Tiaren machte sie hingegen keine Scherze. Sie sahen alle wie für Schönheiten vom Lande aus, sie hatte jedoch eher europäischen Adel im Sinn.
»Schwarz?«, sagte Estefani zögerlich. »Zu einem weißen Kleid?«
»Ja, zum weißen Kleid«, fauchte Carrie innerlich frohlockend, weil Estefani ihr auf den Leim gegangen war. Nun hatte sie ein Ziel für ihren Spott. »Sind Sie hier alle so einfältig, dass Sie nicht über Altbekanntes, das Sie bereits einmal gemacht haben, hinausblicken können?«
Zu ihrer Überraschung straffte Estefani die Schultern, ihre braunen Augen funkelten. »Ich bin nicht einfältig. Ich habe Geschmack.«
»Soll das etwa heißen, dass ich keinen habe?« Carries Tonfall wurde unfreundlicher, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Bevor sie noch einen schärferen Angriff starten konnte, läutete jedoch ihr Handy. Sie warf einen Blick auf das Display mit der Nummer, denn sie wollte einfach nicht drangehen, doch dann sah sie, dass es Sean war, und so hob sie einen Finger, um Estefani zu bedeuten, dass sie warten solle. Sie atmete tief durch, ließ ein Lächeln auf ihrem Gesicht erstehen und antwortete mit süßlicher Stimme: »Hallo, mein Schatz!«
Sean war nett, reich und leichtgläubig. Was könnte sich eine Frau mehr von ihrem künftigen Mann wünschen? Momentan ließ sie ihm in fast jeder Hinsicht seinen Willen, doch das würde sich nach der Hochzeit schon ändern. Sobald sie in der Kirche den Gang zum Altar hinuntergeschritten war, würde sie das Zepter übernehmen. Eigentlich war sie ja schon dabei. Sean dazu zu bringen, ihr einen Heiratsantrag zu machen, war der erste große Schritt gewesen. Und gestern hatte sie den zweiten getan – den Geldschritt. Alles entwickelte sich, wie von ihr eingefädelt.
Sean plante gerade die Flitterwochen.
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