Feuer der Nacht
schließlich nur die Mutter, wie konnte sie erwarten, mit den Verlockungen einer echten Pistole und einer glänzenden Dienstmarke konkurrieren zu können?
»Ist die echt?«, fragte der Junge und deutete auf die Pistole.
»Klar. Die Dienstmarke ist auch echt.«
» Böse Buben, böse Buben «, trällerte der Junge. Nicht übel. Er konnte im zarten Alter von vier schon den Ton halten. Dann begannen seine Lippen zu zittern, und in seinen Augen stiegen wieder Tränen auf.
»Sind Sie meinetwegen gekommen?«, fragte er mit gequälter Stimme. Seine Mutter hielt sich den Mund zu, damit sie nicht laut loslachte.
»Nein, ich komme bloß zu bösen Buben, und soweit ich sehe, bist du ein braver.« Eric zerzauste ihm noch einmal den Haarschopf. »Und auch mutig. Mir scheint, du hast eine Beule an der Birne. Wenn du so hart rangehst, musst du lernen, dich zu schützen.«
»Aber wie?«
Eric stand auf, legte dem Jungen aber eine Hand auf die kleine Schulter. »Da muss ich noch drüber nachdenken.« Dann sagte er mit lauter Stimme, sodass alle es hören konnten: »Wie ich sehe, gibt es in deiner Familie Footballfans.«
Einige der Männer bellten bei dem Stichwort los. Das Kind nickte, und er und Eric schauten dann zum Altar, wo ein halbes Dutzend Männer standen, die nur darauf warteten, dass die Proben endlich weitergingen. »Ich möchte wetten, dass einer von denen dir gern einen Helm in deiner Größe kaufen würde, damit du geschützt bist, wenn du wieder kopfüber hinfällst. Willst du Football-Spieler werden, wenn du mal groß bist?«
Der Junge nickte begeistert.
»Ja, kann ich mir vorstellen«, sagte Eric. »Du bist hart im Nehmen. Ich schätze, du wirst mal ein guter Runningback – die Position ist was für Typen, die hart im Nehmen sind.«
»Quarterback!«, sagte der Junge indigniert.
»Das soll wohl ein Witz sein? Du willst den Quarterback machen? Mann, das ist echt hart! Dafür brauchst du ganz klar einen Helm.«
Die kleine Brust war vor Stolz wie aufgeplustert, die Tränen waren versiegt, die Unterlippe zitterte nicht mehr. Den einen Moment hatte er noch gebrüllt, als hätte man ihn verbrüht, und im nächsten war auch schon alles prima.
Sie würde sich nicht bei ihm bedanken. Ja, Eric hatte für Ablenkung gesorgt, als sie gebraucht wurde, aber eigentlich war ja nichts Fürchterliches passiert.
Der Bräutigam versprach, dem Kind einen Footballhelm zu kaufen, und sagte, er könne ihn dann morgen Abend bei der Hochzeit gleich aufsetzen. Das war nicht gerade das Bild, das Jaclyn sich von einer eleganten Hochzeit machte, aber ihre Hochzeit war es ja nicht. Nur eines zählte: dass ihre Klienten glücklich waren. Sie würde auf Wunsch auch allen Kindern einen Helm besorgen.
»Stimmt was nicht?«, fragte die Mutter der Braut Eric.
»Nein, alles bestens. Ich bin ein Bekannter von Jaclyn.«
Ach, ja? Jaclyn biss die Zähne zusammen, damit ihr die scharfe Antwort nicht herausrutschte, die ihr auf der Zunge lag. Die Brautmutter schaute von Jaclyn zu Eric, lächelte leicht und ließ die beiden allein.
Die Hochzeitsgesellschaft wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Proben zu – deswegen waren ja schließlich alle gekommen. Es wurde langsam spät, weil sie sich zu sehr amüsiert hatten, und sie würden nicht rechtzeitig ins Restaurant kommen, wenn sie nicht einen Zahn zulegten.
Jaclyn ging ein Stück nach vorn, ließ alle in der richtigen Reihenfolge aufstellen und machte an der Stelle weiter, wo sie unterbrochen worden waren. Sie spürte, wie Eric näher herankam und nun direkt hinter ihr stand wie ein Felsblock. Sie verspürte einen Juckreiz zwischen den Schulterblättern, als hätte er seine Pistole gezogen und sie auf sie gerichtet. Eine albtraumhafte Vision erstand vor ihren Augen: Wollte er sie hier verhören? Oder noch schlimmer: Wollte er sie vor sämtlichen Klienten festnehmen?
Aber er stand nur einfach so da, cool und ruhig, und beobachtete die Proben. Der Geistliche hatte alles gut im Griff momentan, Jaclyn blieb also nicht mehr zu tun, als sich für den Fall bereitzuhalten, dass sie doch gebraucht wurde. Die eben noch lärmenden Kinder hatten auf Anweisung ihrer Mutter in der zweiten Reihe der Kirchenbänke Platz genommen; dort saßen sie nun tuschelnd und ließen die Beine baumeln.
Schließlich hielt sie es nicht länger aus. »Was machen Sie denn hier?«, flüsterte sie grollend.
»Ich hatte einen Hilferuf gehört und habe pflichtgemäß nach dem Rechten gesehen. Dienen und beschützen, so lautet
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