Feuer der Nacht
mein Auftrag.«
Das hatte sie nicht gemeint, und das wusste er auch.
Da er weder die Handschellen noch sein kleines Notizbuch zückte, entspannte sie sich ein wenig. Wenn er ihr mehr Fragen stellen wollte, würde er sicher das Ende der Hochzeitsprobe abwarten, um sie nicht vor den anderen bloßzustellen. Wenn er allerdings gekommen war, um sie festzunehmen, würde er nicht abwarten. Vermutlich.
Verdammt, sie hatte nichts Unrechtes getan, dachte sie bitter, aber sie würde den Preis in jedem Fall bezahlen. Ja, wenn jemand sie fragen würde, müsste sie zugeben, dass die Welt ohne Carrie Edwards besser war, aber das bedeutete nicht, dass sie eine Mörderin war. Und momentan hätte sie Carrie gern ein paar Minuten zurück, um ihr so richtig die Meinung zu verklickern und ihr all das zu sagen, was sie in den langen Monaten, die sie mit ihr zu tun gehabt hatte, gedacht, jedoch nicht geäußert hatte.
Als die Hochzeitsprobe vorbei war, ließ sie Eric einfach ohne ein Wort stehen. Sie verabschiedete sich von der Braut und der Brautmutter und erinnerte alle an die Uhrzeit, zu der sie sich am nächsten Abend treffen wollten. Sie hatte sich schon eine Ausrede zurechtgelegt, um nicht am Probedinner teilnehmen zu müssen; und so wie die Braut und der Bräutigam Eric anstarrten, dachten sie wohl, dass er der wahre Grund für ihre Absage sei.
Als ob.
Während die Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft langsam davongingen, drehte Jaclyn sich um; sie wollte schauen, ob Eric dastand und wie ein Schurke im Sonntagmorgen-Cartoon an seinen Handschellen herumfingerte. Er war nicht da. Schockiert sah sie sich um, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken. Einen dummen, schwindelerregenden Augenblick durchzuckte sie eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Sie schob die Enttäuschung beiseite und konzentrierte sich auf die Erleichterung; offen blieb die Frage, weshalb er überhaupt gekommen war.
Sie war die Letzte, die ging, abgesehen von dem Geistlichen, der noch die Türen des großen Gotteshauses verschloss. Er wollte das Gebäude durch die Hintertür verlassen, wo sein Wagen geparkt stand, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass für die Nacht alles unter Dach und Fach war. Sie hielt oben an der Treppe inne und sah sich kurz um.
Es standen noch ein paar Autos auf dem Parkplatz, andere fuhren gerade auf die Straße hinaus. Das glückliche Paar stieg in seinen roten Pick-up mit Bulldog-Stickern und Fähnchen. Wundert mich nicht, dachte sie. Ein paar Parklücken entfernt stand der Toyota von einer der Brautjungfern; das Mädchen nahm sich einen Moment Zeit, um ihren Lippenstift nachzuziehen, während eine andere Brautjungfer, die auf dem Beifahrersitz saß, munter daherplapperte. Alles glückliche Menschen, dachte Jaclyn – und Menschen, die Glück hatten. Was machte es, wenn sie ihren Football-Wahn ein bisschen zu weit trieben? Insgesamt war das nicht der Rede wert. Wichtig war, dass sie ihr Leben genossen, dass sie niemandem etwas zuleide taten – und morgen würden sie ihre Riesenparty steigen lassen.
Das Auto des Geistlichen stand noch da, natürlich, und ihr Jaguar auch – und Erics Wagen parkte direkt neben ihrem, aber er saß nicht drin. Nein, er lehnte an ihrem Jaguar, locker und lässig wie auch am Morgen, ein Bündel Papiere in der Hand zusammengerollt.
Jaclyn atmete tief durch und ging zu ihrem Auto: aufrecht, doch mit klopfendem Herzen. Sie hätte ihn so gern gescholten, wäre so gern auf ihn losgegangen, um ihrer Frustration und ihrem Ärger Luft zu machen, die den ganzen Tag an ihr genagt hatten. Doch das konnte sie nicht. Er war nicht einfach nur Eric Wilder, ein One-Night-Stand, der schiefgangen war. Er war Detective Eric Wilder, und wenn sie auf ihn losginge, würde sie im Gefängnis landen.
Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre die Befriedigung das Unterfangen vielleicht wert gewesen, diese Woche jedoch nicht. Ihr Terminplan war zu hektisch.
Sie blieb vor ihm stehen, den Autoschlüssel in der Hand. »Haben Sie weitere Fragen an mich, Detective?«
Er seufzte, vielleicht, weil sie ihn mit »Detective« angesprochen hatte, vielleicht auch, weil er ebenso müde war wie sie. »Ja. Der grauhaarige Mann, den Sie gestern Nachmittag beim Empfangssaal gesehen haben: Könnten Sie mir weitere Details zu seiner Person mitteilen? Oder die Automarke? Sonst etwas?«
»Nein«, erwiderte sie knapp. »Grauhaariger Mann, silbernes Auto. Das war’s auch schon. Ich hatte gestern einen schlechten Tag und war nicht
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