Feuer der Rache
sind Kommissarin Berner, nicht?"
Sabine kam der Verdacht, dass sie sich gegen ihren Willen zu etwas überreden ließ, das andere über ihren Kopf hinweg bereits beschlossen hatten. Dennoch lächelte sie Irene Jacobson an und nickte.
Die Frau in der Tür war einen Kopf kleiner als Sabine und korpulent. Allerdings sprachen die schlaffen Hautfalten und die Schatten unter den Augen davon, dass sie in den vergangenen Tagen abgenommen und nicht viel Schlaf genossen hatte. Auf zwei Krücken gestützt, humpelte sie durch den engen Flur voraus und führte Sabine in ein vollgestopftes Wohnzimmer. „Setzen Sie sich doch", forderte Frau Jacobson die Kommissarin auf und deutete auf ein durchgesessenes Sofa. „Darf ich Ihnen etwas anbieten?"
Sabine lehnte ab. „Keine Umstände. Rosa hat mich bereits den ganzen Nachmittag gemästet. Ich werde bald eine neue Garderobe brauchen, wenn ich sie noch öfter besuche."
Ein kurzes Lächeln huschte über das faltige Gesicht, dann schienen ihre Ängste sie wieder einzuholen. Schwerfällig ließ sich die Frau in einen uralten Ohrensessel sinken.
„Erzählen Sie mir von Iris. Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?"
„Ostersonntag, zum Mittagessen. Ich dachte, sie wäre nach oben gegangen, um sich hinzulegen, aber als ich Maike gegen sieben hinaufschickte, um Iris zum Abendessen zu holen, war sie nicht da. Ich hatte gleich ein seltsames Gefühl, und als es immer später wurde und sie nicht zurückkam, da wusste ich, dass ihr etwas zugestoßen ist."
„An was denken Sie?"
Die Alte hob die Hände. „Erst dachte ich, sie wäre vielleicht in einen Unfall verwickelt worden, doch dann hätte ich längst schon Nachricht aus einem Krankenhaus bekommen oder so. Nein, ich fürchte, sie ist in die Hände böser Menschen geraten. Ich will es mir gar nicht ausmalen, was meiner Kleinen zugestoßen ist." Tränen rannen über ihre Wangen. Hektisch wühlte sie in den Taschen ihrer Kittelschürze und nahm dann das Papiertaschentuch, das Sabine ihr reichte.
Die Kleine? Hatte Rosa nicht gesagt, Iris sei vierundzwanzig? Nun ja, ältere Menschen machten sich zuweilen ein verzerrtes Bild von ihrer Umwelt.
„Könnte es nicht doch sein, dass sie mit einem Freund oder einer Freundin weggegangen ist? Oder allein? So etwas kommt vor. Ihre Enkelin ist kein kleines Kind mehr."
„Das würden Sie nicht sagen, wenn Sie sie kennen würden", schluchzte Irene Jacobson.
Wieder dieser Satz. Warum nicht?
„Einen Freund hat sie nicht -hat sie noch nie gehabt. Sie war schon in der Schule stets mit ihrer Schwester Maike und ihren Freundinnen Carmen und Aletta zusammen -ich meine, als sie noch gemeinsam zur Schule gingen. Sie können die drei fragen. Sie haben Iris seit vergangenem Sonntag auch nicht mehr gesehen und machen sich mindestens so große Sorgen wie ich."
„Und Iris' Eltern?"
„Was soll mit ihnen sein?"
„Wo leben die Eltern? Haben Sie mit ihnen gesprochen?
Wissen Sie auch nichts?"
„Ach so. Sie wohnen hier in Blankenese in der Schenefelder Landstraße 14 A. Das heißt, Barbara wohnt dort vor allem, Nils ist meist unterwegs. Er ist Kapitän auf einem Containerschiff der Hapag."
Sabine kaute auf ihrer Lippe. „Und warum wohnen die Zwillinge dann seit Jahren schon bei Ihnen?"
Irene Jacobsons Blick wanderte durch den Raum. „Warum denn nicht? Wir verstehen uns gut. Ich bin nicht mehr so allein. Barbara ist mit ihrer Gemeindearbeit ausgefüllt, und die Mädchen genießen es, ein wenig mehr Freiheit zu haben." Ihre Miene verdüsterte sich. „Vielleicht war es ein Fehler." Wieder traten ihr Tränen in die Augen. „Ich weiß, dass sie mir die Schuld dafür geben wird. Ich habe die Mädchen ermutigt, ihr Elternhaus zu verlassen, und nun muss ich es verantworten, dass meine süße Kleine in die Hände von Verbrechern gefallen ist, die sie quälen. Oh, bitte, finden Sie sie und retten Sie mein Kind!"
Sie brach in Tränen aus. In Sabines Kopf schwirrten die Gedanken herum.
„Warum sind Sie sich sicher, dass Iris in der Gewalt eines Verbrechers ist? Könnte es vielleicht sein, dass sie sich selbst etwas angetan hat? Gab es irgendwelche Anzeichen?"
Irene Jacobsons nasses Gesicht tauchte hinter dem zerknüllten Taschentuch auf. „Nein! Völlig ausgeschlossen. Sie wurde katholisch erzogen und hatte doch auch gar keinen Grund für so etwas! Sie ist von den vier Mädchen immer die Ruhigste und Folgsamste gewesen. Nie hat sie wie Maike manches Mal -rumgeschrien und getobt oder auch nur eine Bitte
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