Feuer der Rache
heute Abend mit mir ins Kino zu gehen."
Sabine unterdrückte ein Gähnen. „Also, Antwort eins lautet: Ja, Antwort zwei: gut, und die drei..." Sie überlegte. Wollte sie ihn wiedersehen? Wollte sie sich im Schutz der Dunkelheit in einem Kino an ihn drücken? Ein Gefühl regte sich in ihrem Bauch, das ihr ein eindeutiges „Ja" zuflüsterte. Wie in früheren Zeiten, als ihre einzigen Sorgen waren, wer mit wem ging, ob das Gesicht zu sehr von Pickeln bedeckt war, um das Rendezvous zu wagen, und ob man nicht etwa vorher eine schlecht benotete Arbeit zurückbekam und deswegen zu Hausarrest verdonnert wurde.
„Drittens: Ja!"
Es kam ihr so vor, als habe Michael erwartungsvoll die Luft angehalten und als stieße er sie nun erleichtert aus. „Wunderbar. Ich hole dich um sieben ab." Er legte die Hand über den Hörer, sodass seine Worte nur noch gedämpft zu ihr drangen. „Thomas, ich habe es gehört. Ich komme sofort. Wir haben uns mit Alexander Sandemann um siebzehn Uhr im Clubhaus des NRV an der Alster verabredet. -Keine Ahnung. Muss irgendeine wichtige Regatta am Sonntag sein.
Ich kenne mich damit nicht aus. Jedenfalls sagte er, er müsse etwas an seinem Boot machen, das keinen Aufschub dulde."
„Na, dessen Sorgen möchte ich haben", hörte Sabine die Stimme von Hauptkommissar Ohlendorf im Hintergrund. Schritte entfernten sich, die Hand über dem Hörer wurde entfernt.
„Das war der wichtigste, aber nicht der einzige Grund, warum ich dich anrufe. Bei der Vermisstenstelle hat sich heute ein junger Mann gemeldet, der Iris am Ostersonntag gegen neunzehn Uhr gesehen haben will. Thomas sagt, uns geht das nichts an, da die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen ist, dass kein Fremdverschulden vorliegt. Aber wenn du mit dem Zeugen sprechen willst? Ich meine, wenn dich der Fall immer noch interessiert. Ich kann dir die Adresse geben."
Ein schmächtiger junger Mann mit einer Menge Pickel im Gesicht öffnete ihr. Er trat zurück und bat die Kommissarin einzutreten. Für einen Studenten keine schlechte Wohnung, dachte Sabine, als sie einen Blick in die beiden hohen Räume unter dem Dach des gründerzeitlichen Stadthauses in Winterhude warf.
„Was studieren Sie?"
„Medizin, sechstes Semester", gab Martin Blessing bereitwillig Auskunft.
„Wollen Sie sich setzen?" Er räumte einen Pulli und ein zerknittertes T-Shirt vom Sofa und warf sie um die Ecke in das kleine Badezimmer.
Sabine ließ den Blick durch die Studentenbude wandern.
Ein massives Regal, das sich über die ganze Wand erstreckte, war von Büchern überladen, die anscheinend nach keinem bestimmten System dort standen. So lagen auf den Regalen Thriller, Medizinbücher, Bildbände über Jagdflieger und zerfledderte Taschenbuchkrimis bunt durcheinander. Hinten an der Wand standen eine alte Couch, ein Beistelltisch und ein Sessel. Auf dem Esstisch in der Mitte des Raumes sah sie einen Teller mit einem Rest Pizza und daneben einen aufgeschlagenen Wälzer, Papier und ein paar Stifte.
„Anatomie", sagte Martin, der ihrem Blick gefolgt war. „Will im Juni die Prüfung mitschreiben." Er ließ sich in den Sessel fallen und deutete auf die Zweisitzercouch gegenüber. Er schien nervös. Immer wieder wischte er sich die Hände an seiner Jeans ab.
Sabine setzte sich auf das abgewetzte Polster. „Sie sagen, Sie hätten Iris Stoever am Sonntag, dem zehnten April, gegen neunzehn Uhr gesehen?"
Der junge Mann nickte. „Auf der Fähre."
„Und warum melden Sie sich erst jetzt?"
Diese Frage war ihm sichtlich unangenehm. „Nun ja, ich habe das Piakatja nicht gleich gesehen. Ich bin nicht so oft in Blankenese, wissen Sie? Ich besuche nur ab und zu meinen Onkel, der an der Süllbergsterrasse wohnt. Und ich habe mich auch nicht gleich erinnert, und dann dachte ich, nun ja, es ist schon so lange her, und ich kann auch nichts richtig Spannendes erzählen." Er warf der Kommissarin einen Hilfe suchenden Blick zu.
„Was hat Sie dazu bewogen, sich dann doch noch an die Polizei zu wenden?"
Er deutete auf die Hamburger Morgenpost, die auf dem niederen Kieferntisch lag. Die Meldung von der noch nicht identifizierten weiblichen Leiche am Schweinesand war aufgeschlagen. „Ich hab meiner Freundin davon erzählt, und die meinte, egal, wie unwichtig mir das jetzt vorkommt, vielleicht hilft es der Kripo weiter."
Sabine nickte. Schade, dass es nicht immer vernünftige Freundinnen gab. „Und was ist das nicht Spannende, das Sie mir erzählen können?"
„Ich war auf der
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