Feuer & Eis
in Zeitlupe nahmen sie das Geschehen in sich auf. Selbst die übrigen Seelenlosen standen wehrlos herum und starrten den Dämon an.
Die Klinge erzeugte kein Geräusch, als sie auf den Dämon zusauste. Dann schnitt sie mit einem Ruck durch das Fleisch.
Die Augen von Istegar leuchteten kurz auf, dann erlosch das Rot in ihnen. Der Kopf neigte sich nach hinten und gab einen tiefen Schnitt am Hals frei. Er kippte weiter und fiel zu Boden, wobei ein dumpfes Geräusch erklang. Der Körper des Dämons folgte. Einen Moment später loderten Flammen auf und Istegar zerfiel zu Staub.
Die Szenerie erschien wie erstarrt. Alle standen still da. Sam mit dem Schwert in der Hand, Layla in halb gebückter Haltung über Isa. Niemand bewegte sich. Es war wie in einem auf Pause gestellten Film.
Raven war die Erste, die diese Starre durchbrach. Sie stürzte zu Valerian, nahm ihn in die Arme.
„Es ist vorbei“, sagte sie leise zu ihm.
„Es ist vorbei!“, rief sie nochmals laut und sah zu Sam.
„Noch nicht ganz“, erwiderte Val.
Sie hatten das zur Hälfte geöffnete Portal vergessen. Samael tobte wie ein Wahnsinniger. Sein eben noch so schön erschienenes Gesicht war zu einer wutverzerrten Fratze geworden. Mit seinen Fäusten hieb er auf die Barriere ein. Die Knöchel waren blutverschmiert, die Öffnung hingegen nicht. Die Haut begann sich von den Fingern zu lösen. Je mehr Samael tobte, desto mehr löste er sich auf. Dann war die Transformation abgeschlossen, von seinem menschlichen Erscheinungsbild nichts mehr übrig. Zurück blieb eine rote Gestalt, mit Klauen statt Händen und großen Hörnern auf der Stirn. Nur die Augen waren geblieben, rot mit gelber Pupille.
Er sah gruselig aus.
„Er kann doch nicht heraus, oder?“, wandte sich Raven an Val.
„Nein. Ich denke nicht. Doch zur Sicherheit muss das Portal geschlossen werden.“
„Kannst du das tun?“
„Ich hoffe. Anthony, wo ist der Kelch?“, rief Val.
„Ich weiß nicht. Ich habe ihn zu Lisa geworfen.“
„Er ist bei mir“, sagte Leander.
Mühsam versuchte Val aufzustehen. Layla hatte die Verletzung an den Beinen zwar behandelt, aber nicht geheilt. Seine Schenkel brannten wie Feuer.
Raven half ihm hoch und blieb an seiner Seite. Leander kam auf die beiden zu und hielt Val den Kelch hin.
„Du musst ihn abstellen, ich könnte dich verletzen“, wies Val ihn an.
Leander nickte und stellte das Artefakt etwa einen Meter vor Valerians Füßen ab.
„Gut. Jetzt geht mal alle schön ein Stück zurück. Du auch, Raven. Dieses Ding da muss zerstört werden. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, aber ich werde meine ganze Kraft aufwenden. Und dabei möchte ich niemanden von euch treffen“, erklärte Val.
Raven küsste ihn kurz, zog sich dann zurück. Leander ging ebenfalls rückwärts. Die anderen, die ja schon etwas entfernt gewesen waren, zogen sich auch noch etwas weiter zurück.
„Das so ein kleines, unscheinbares Ding so viel Schaden anrichten kann“, murmelte Edna.
„Stimmt. Pompös sieht der Kelch ja nicht aus. Aber ist das nicht bei vielen solcher Dinge so?“, gab Anthony zurück.
Val begann, die Kräfte der Erde in sich zu stauen. Dabei spürte er die Kraft von Chris, er bot sie ihm an und Val nahm sie ebenfalls in sich auf. Basti schien noch immer bewusstlos, denn Val konnte seine Magie nicht spüren.
Val sammelte so viel er nur konnte. Jeder noch so kleine Funken Kraft, jedwede Strömung der Erde und Christophs angebotene Energie. Hoch konzentriert stand er da, die Augen geschlossen. Seine Beine zitterten, das Leder der Hose war blutgetränkt.
Als er glaubte, genug Magie in sich zu haben, schlug er die Augen auf und fixierte den Kelch.
„ Grandine ha distrutto!“, schrie er.
Die Energie aus ihm schoss in einem hellblau glühenden Ball genau auf den Kelch zu. Die Magiekugel legte sich um den Kelch, nahm ihn in sich auf und implodierte.
Abertausende winziger Splitter rieselten wie ein Funkenregen auf den Boden herab.
Valerian sackte erschöpft zusammen. Er hatte es tatsächlich geschafft! Sein Blick suchte die Pforte, sie war verschwunden. Wie das Artefakt. Samael war weiterhin in der Hölle gefangen. Und so wie es aussah, hatten die restlichen Seelenlosen das Weite gesucht. Viele waren es ohnehin nicht mehr gewesen, zehn oder fünfzehn vielleicht.
Sie hatten gewonnen. Val schloss erleichtert die Augen – und schlief tatsächlich ein.
Er erwachte auf dem filigranen Sofa im Empfangswohnzimmer. Sie waren zurück im Haus der Königin.
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