Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
er genauso nervös ist wie sie.
Schließlich beruhigt sich der Hund und stellt sich wieder auf alle viere. Wille schaut sie an.
Und ja. Er ist genauso nervös.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagt er.
Sie hat ihn nicht mehr gesehen, seit sie im Götis um ihn herumgespukt ist, aber sie hat gehört, dass er mit Elin zusammengezogen ist, nach Riddarhyttan, ein Stück außerhalb von Engelsfors. Und die Verwandlung ist weitergegangen.
Seine Haare sind kürzer denn je. Und er trägt eine neue Jacke. Er, der, solange sie ihn kennt, immer in denselben alten abgetragenen Sachen rumgelaufen ist.
Wille sieht toll aus. Ein Teil von Vanessa würde am liebsten wie Frasse winseln und mit dem Schwanz wedeln.
Das hier
ist
ein Fehler, denkt sie, während sie und Wille sich anschauen. Aber das wusste ich ja vorher, nicht wahr?
»Du siehst verändert aus«, sagt sie.
»Ich habe mir die Haare schneiden lassen und mir einen Job gesucht«, sagt er und lächelt. »Vielleicht besorge ich mir bald auch noch ein neues Auto.« Er tritt gegen den Vorderreifen. »Die alte Rostlaube hier hat ihren Dienst getan.«
Genauso gut könnte er so über sie reden. Sie ist offenbar
ausgetauscht
.
Plötzlich kommt es ihr idiotisch vor, dass sie eben noch darüber nachgedacht hat, ob sie Wille verzeihen würde, ohne zu wissen, was
er
überhaupt von ihr will.
»Was machst du hier?«, fragt Vanessa.
Wille schiebt die Hände in die Jackentaschen und lehnt sich ans Auto. Sein Atem bildet im Schein der Straßenlaterne eine Wolke. Sie fröstelt.
»Ich wollte dich sehen«, sagt er. »Und ich wollte Danke sagen.«
»Wofür denn?«
»Dafür, dass du immer an mich geglaubt hast. Ich meine, ich weiß, dass ich echt ein Loser war. Aber du hast immer daran geglaubt, dass mehr in mir steckt. Es ist dein Verdienst, dass ich angefangen habe, selbst daran zu glauben. Ich kiffe jetzt nur noch ein paarmal pro Monat und arbeite in einem Callcenter. Der Job ist eigentlich ganz okay. Außerdem bin ich zu Hause ausgezogen.«
Vanessa spürt die Bitterkeit so deutlich wie einen Geschmack im Mund.
Wie schön für dich, Wille, würde sie am liebsten rausschreien. Wie schön, dass ich die fantastische Aufgabe hatte, dich in Schwung zu bringen. Es war echt super, dafür zu kämpfen, auf dich einzureden, zu betteln und dich aufzubauen. Schade nur, dass jemand anders die Früchte meiner Arbeit erntet, aber so was kommt eben vor.
»Du meinst, du bist bei Elin eingezogen«, sagt sie.
Wille nickt stumm.
»Aha«, sagt Vanessa. »Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt dazu sagen? Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen, glücklichen Leben?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich glücklich bin«, sagt Wille und sieht sie an. »Ich hätte dir das nie antun dürfen. Ich habe in meinem ganzen Leben nie etwas so sehr bereut wie das. Du fehlst mir.«
»Und Elin? Was sagt sie dazu?«
Wille schaut weg.
»Ach nein, genau, sie weiß es natürlich nicht«, sagt Vanessa. »Sie denkt, dass alles super läuft.«
Sie zieht an Frasses Leine. Er bleibt sitzen.
»Frasse, komm«, sagt sie und er erhebt sich endlich.
Sie geht zur Haustür zurück. Frasses Krallen tickeln hinter ihr auf dem Asphalt. Und dann hört sie, wie Wille ihr nachrennt.
»Nessa!«
Er schnappt sie, dreht sie um hundertachtzig Grad, zieht sie an sich und küsst sie.
Sie will gehen, aber sie kann sich nicht dazu durchringen. Sie kann ihren eigenen Mund nicht einmal daran hindern, sich dem Kuss zu öffnen, ihn zu erwidern.
Willes Kuss ist so, wie alle seine Küsse waren, so anders als die aller anderen, und sie will aufhören zu denken. Aufhören, verbittert zu sein, will, dass einfach alles scheißegal ist, will mit ihm in dieses Auto steigen und fahren, bis der Tank leer ist.
»Keine ist wie du«, murmelt Wille.
Sie windet sich aus seiner Umarmung. Ihr charakterloser Körper protestiert. Er vermisst Willes Nähe schon jetzt. Die alte Abhängigkeit ist wieder erwacht, und er würde Vanessas Stolz ohne Bedenken verkaufen, nur um mehr von diesem Kick zu bekommen.
»Ich muss los.«
»Nessa …«
Sie dreht sich um und geht weiter zur Tür, dicht gefolgt von Frasse.
»Vermisst du mich denn nicht?«, ruft Wille.
Sie schweigt. Sie kann ihm nicht antworten. Zu groß ist die Angst, die Wahrheit zu sagen.
47. Kapitel
V
orsichtig öffnet Minoo die Tür und schleicht sich auf den Flur.
Die Schlafzimmertür ihrer Eltern ist nur angelehnt und Papas Schnarchen dringt wie ein dumpfes Brummen durch den Spalt
Weitere Kostenlose Bücher