Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
darauf hervor und verzweigen sich wie dünne Adern.
Minoo und Anna-Karin ziehen ihre Jacken aus und lassen sich auf den Boden sinken.
Linnéa sitzt neben Vanessa und Minoo starrt sie wie gebannt an. Unglaublich, dass sie es die ganze Zeit übersehen hat. Jetzt, wo sie es weiß, ist es so deutlich. Die ganze Zeit späht Linnéa heimlich zu Vanessa, als wolle sie keine Sekunde von ihr verpassen.
Ich muss mit ihr reden, denkt Minoo.
Aber sie hat keine Ahnung, wie.
»Ich werde euch alles von vorne erzählen, damit ihr versteht, wie der Rat funktioniert. Wer seine Mitglieder wirklich sind«, sagt Adriana.
Minoo schaudert, als ihr zu Bewusstsein kommt, dass Adriana offenbar wirklich beschlossen hat, ihnen alles zu verraten. Dass sie ein für alle Mal entschieden hat, sich auf die Seite der Auserwählten zu stellen.
»Ich wurde in die höchste gesellschaftliche Schicht des Rats hineingeboren«, fängt Adriana an. »Meine Mutter und mein Vater waren beide unerhört kraftvolle Hexen. Sie stammten aus Familien, die seit Generationen der Elite des Rats angehörten. Und natürlich sollte ich in ihre Fußstapfen treten.«
Sie lächelt ein trauriges Lächeln.
»Leider stellte sich schon bald heraus, dass ich kein nennenswertes Talent für Magie besaß. Zugegebenermaßen waren auch meine Eltern keine natürlichen Hexen, aber sie waren überaus begabt, und magische Begabung wird oft vererbt. Sie hatten nicht mit einer Enttäuschung wie mir gerechnet.«
Auch Adriana setzt sich, winkelt die Beine an und stützt sich mit einer Hand auf dem Boden ab.
»Zum Glück hatten sie bereits Alexander. Er erfüllte all ihre Erwartungen und mehr. Mein Vater verehrte ihn und ignorierte mich vollständig. Meine Mutter versuchte, ihre Liebe gerecht zwischen uns Kindern aufzuteilen, aber sie schämte sich für mich. Ich wusste, dass sie sich fragte, was sie falsch gemacht hatten, um mit einer Tochter wie mir gestraft zu sein. Der Rat verachtet Schwäche. Und Stärke wird in magischen Fähigkeiten gemessen. Darin, was man beizusteuern hat. Ich versuchte, meinen Makel auf andere Weise auszugleichen. Versuchte, mich perfekt zu benehmen, mich voll und ganz meinen Studien zu widmen.«
Adriana wirft Minoo einen kurzen Blick zu, und Minoo erinnert sich an den Moment, als Adriana ihr sagte, sie würde viel von sich selbst in ihr entdecken.
»Dann habe ich Simon getroffen«, sagt Adriana. »Wir waren beide neunzehn. Er und Alexander waren Freunde, auf diese Weise begegneten wir uns. Wir verliebten uns. Sehr.«
Sie sieht die Mädchen ernst an. Das blaue Feuer glitzert in ihren Augen.
»Die Kontrolle des Rats über seine Mitglieder ist gewaltig. Jeder ist ein potenzieller Spitzel. Eltern, Geschwister, Kinder, Ehepartner, Freunde, Liebhaber. Aber ich vertraute Simon. Und er vertraute mir. Zum ersten Mal in unserem Leben konnten wir den verbotenen Gedanken aussprechen, den wir beide mit uns herumtrugen – dass der Rat nichts anderes als ein Gefängnis war. Und als wir voneinander gelernt hatten zu sehen, konnten wir die Augen nicht länger vor der Wahrheit verschließen. Der Rat machte aus uns verkümmerte Menschen. Wir beschlossen zu fliehen.«
»Warum waren Sie gezwungen davonzulaufen? Konnten Sie nicht einfach … austreten?«, fragt Vanessa.
Adriana schüttelt den Kopf.
»Wer wie wir in den Rat hineingeboren wird, muss an seinem achtzehnten Geburtstag entscheiden, ob er sich offiziell anschließt oder den Rat für immer verlässt. Und ich meine,
für immer
. Sie kappen jede Verbindung zu denen, die abspringen. Es sind unglaublich wenige, die diesen Weg wählen, sogar unter denen, die Zweifel haben. Der Rat ist unsere Familie. Unsere ganze Welt. Wir beide hatten dem Rat Treue bis in den Tod geschworen.«
Adriana wendet das Gesicht der Dunkelheit zu, die die Tanzfläche umgibt, aber ihr Blick wirkt abwesend. Sie scheint in ihrem Inneren nach den richtigen Worten zu suchen.
»Monatelang planten wir unsere Flucht. Ich sollte Simon in einem Hotel in Kopenhagen treffen, doch stattdessen erwarteten mich dort die Vertreter des Rats. Sie hatten Simon in Stockholm aufgegriffen.«
Sie schließt die Augen und holt tief Luft.
»Wir wurden vor Gericht gestellt und konnten unser Vergehen nicht leugnen. Simon wurde zum Tode verurteilt, und mich hätte dasselbe Schicksal ereilt, wäre meine Mutter nicht gewesen. Sie zahlte einen hohen Preis, um mich zu retten, aber ich konnte ihr nicht dankbar sein. Ich wollte sterben …«
Sie verstummt wieder.
»Sie
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