Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
aus, als sie ihm damals die Schere reichte, mit der er Elias die Haare abschnitt. Oder als sie ihm das Passwort zu Anna-Karins Account besorgte und sie gemeinsam all diese Sachen auf ihre Pinnwand schrieben. Sie hat Erik schon oft so gesehen. Es hat sie immer mit Erwartung erfüllt. Mit der unwiderstehlichen Aufregung und Spannung, die darin liegt, mit anzusehen, wie etwas zu weit geht.
Zum ersten Mal macht ihr dieses Gesicht Angst.
Und plötzlich spürt Ida sie.
Die Magie.
Bis eben war sie noch nicht da, aber jetzt ist sie überall im Raum, wogt zwischen den Wänden hin und her.
Irgendwo in der Nähe ist eine Hexe. Eine mächtige Hexe.
Ida schaut sich um.
»Wer ist heute denn eigentlich noch so hier?«, fragt sie.
»Rickard, Robin, Julia, Felicia, … Helena und Krister sind sicher oben, nehme ich an. Ich weiß nicht, ob sonst jemand da ist. Warum?«
Ida spürt, wie sich die Haare auf ihren Armen aufstellen, ein Schauer läuft ihr den Rücken hinunter, fährt ihr durch die Brust, über den Hals und das Gesicht. Wie ein Fieber, das sich in wenigen Sekunden im ganzen Körper ausbreitet. Die Luft um sie herum beginnt zu knistern.
»Was ist los?«, fragt Erik und streckt die Hand nach ihr aus.
Ein kleiner weißer Blitz zuckt durch die Luft, bevor er ihre Jacke überhaupt berührt hat. Er schreit auf.
»Au, was zur Hölle? Du hast mir einen Schlag verpasst!«
Die Lampen unter der Decke fangen an zu flackern, dann ist der Strom weg. Der Raum versinkt in pechschwarzer Dunkelheit und auch die Straßenlaternen gehen aus.
»Nicht schon wieder«, stöhnt Erik.
Die Magie im Raum ist wie weggeblasen.
»Erik«, ruft Rickard aus dem Nebenzimmer.
»Ich muss los«, sagt Erik.
»Warte«, sagt Ida.
Sie will ihn bitten, es nicht zu tun, was auch immer sie vorhaben.
»Tu nichts, was ich nicht auch tun würde«, sagt sie und versucht, scherzhaft zu klingen.
Erik lacht auf.
»Versprochen«, sagt er und verschwindet im Dunkeln.
50. Kapitel
M
inoo nimmt ein Streichholz und zündet das Teelicht an, das auf ihrem Schreibtisch steht. Sie hat sich mittlerweile an die Stromausfälle gewöhnt, die seit dem Herbst immer wieder auftreten, sie mag sie sogar irgendwie. Die Stille. Die Ruhe. Aber der Gedanke an den Anruf, den sie jetzt zu erledigen hat, erstickt jeglichen Gemütlichkeitsfaktor im Keim.
Heute Abend will sie mit Linnéa über Vanessa sprechen. Es ist die einzige Gelegenheit vor dem Ritual, vor dem Prozess.
Muss sie es wirklich tun?
Ich könnte es auch einfach lassen, denkt sie und pustet das Streichholz aus. Eigentlich ist es doch nicht mein Problem.
Aber jedes Problem einer Auserwählten kann sich zum Problem für alle auswachsen, antwortet sie sich selbst. Und wenn ich Linnéa wäre, … würde ich es dann nicht wissen wollen?
Ich
war doch auch sauer, weil
sie
nicht erzählt hat, dass sie
meine
Gedanken hören kann.
Minoo nimmt ihr Handy. Zögert wieder. Woher soll sie wissen, was Linnéa will? Ob sie es nicht doch lieber lässt? Vielleicht macht sie alles nur noch schlimmer, wenn sie jetzt mit ihr darüber spricht?
Nein. Es ist alleine ihre Feigheit, die ihr das einredet. Und außerdem gibt es noch einen zweiten Grund anzurufen. Einen viel wichtigeren: Linnéa klang völlig verzweifelt. Minoo macht sich Sorgen um sie.
Das Handy klingelt in Minoos Hand. Idas Name leuchtet ihr entgegen, und sie ist erleichtert über den kurzen Aufschub, der ihr gewährt wurde.
»Hallo?«, sagt sie.
»Ich bin’s«, hört sie Idas atemlose Stimme. »Ich war eben im Zentrum und da ist was Komisches passiert.«
»Wieso warst du …«, setzt Minoo an, aber Ida unterbricht sie.
»Ja, aber weißt du was, spar dir deine Belehrungen. Es war das erste Mal, und ich habe nicht vor, noch mal dorthin zu gehen.«
Ida keucht, während sie redet. Es klingt, als würde sie rennen.
»Was war denn los?«
»Magie«, sagt Ida. »Mächtige Magie. Die Lampen haben geflackert und dann gab es wieder einen dieser verdammten Stromausfälle und ich muss jetzt alleine in dieser verfluchten Scheißdunkelheit nach Hause laufen.«
»Weißt du, wer …?«
»Glaubst du nicht, dass ich es dann längst gesagt hätte?«, faucht Ida.
Eine Hexe im PE -Zentrum. Hatten sie doch die ganze Zeit recht mit ihrem Verdacht? Ist Helena die Gesegnete der Dämonen? Versucht sie, die Apokalypse zu beschleunigen? Oder Krister? Oder jemand anders?
Oder war es nur eine gewöhnliche Hexe?, denkt Minoo. Davon scheint es in dieser Stadt ja einige zu
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