Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
IST GOLDES WERT bestickt hat.
»Ist heute nicht Samstag?«, sagt sie und öffnet die Schranktür.
»Schon, aber es geht um ein Spezialprojekt.«
Mias Kleiderschrankinhalt ist kaum zu unterscheiden von Anna-Karins. Aber Vanessa entdeckt ein schwarzes Kostüm mit Rock und Blazer. Richtig trist und madamig, was ziemlich genau der Vorgabe »proper« entsprechen dürfte.
»Darf ich mir das ausleihen?«, fragt Vanessa.
»Willst du auf eine Beerdigung?«
Ich hoffe nicht, denkt Vanessa.
»Ich brauche nur etwas, das ein bisschen erwachsener aussieht«, sagt sie.
Vanessa geht ins Bad und steckt Anna-Karins Haare zu einem Knoten zusammen. Nach kurzem Wühlen im Badezimmerschrank findet sie noch fast eingetrocknete Wimperntusche. Dann betrachtet sie das Ergebnis. Ihr ist noch nie aufgefallen, wie grün Anna-Karins Augen sind. Wenn sie jetzt noch ein bisschen Lipgloss hätte, wäre es perfekt.
»Und jetzt machen wir sie fertig«, sagt Vanessa zu sich selbst im Spiegel.
Mia starrt sie an, als sie in die Küche kommt.
»Du hast dich ja mächtig aufgedonnert«, sagt sie und klingt fast vorwurfsvoll.
»Danke«, sagt Vanessa, geht an ihr vorbei und schüttet Milch und Flakes in ein Schälchen.
Mia hustet rasselnd, während sie nach der Zigarettenschachtel greift.
Sie raucht dermaßen viel, dass man in ihrer Lunge vermutlich nach Öl bohren könnte, denkt Vanessa. Schlimmer als Mona Mondlicht.
Anna-Karins Mutter starrt wieder aus dem Fenster, und Vanessa fragt sich, was wohl in ihrem Kopf vor sich geht. Nach außen wirkt sie so leer und tot. Resigniert. Sieht es in ihr drinnen genauso aus? Immer? Sie tut Vanessa leid. Aber noch mehr bedauert sie Anna-Karin.
Sie kann verstehen, dass Anna-Karin ihre Mutter mithilfe von Magie verändern wollte. Hätte Vanessa über dieselbe Kraft verfügt und plötzlich die Macht gehabt, ihre Mutter zu zwingen, Nicke schon viel früher zu verlassen, hätte sie der Versuchung widerstehen können?
Sie steht vom Tisch auf, spült ihr Schälchen ab. Schaut auf die Uhr. Plötzlich muss sie sich beeilen. In wenigen Minuten wird Adriana sie abholen.
»Ich gehe jetzt«, sagt Vanessa.
Mia schaut nicht mal hoch. Und Vanessa fragt sich, was aus ihr wird, falls Anna-Karin etwas zustößt. Falls sie ihre Tochter gerade das letzte Mal gesehen hat.
Sie geht zu ihr. Nimmt sie in den Arm. Bei der Berührung zuckt Mia zusammen. Aber Vanessa lässt nicht los.
»Ich wünsche dir einen schönen Tag, Mama«, sagt sie. »Ich hab dich gern.«
Sie bringt es nicht über sich, ihr zu sagen, dass sie sie liebt. Aber das ist immerhin besser als nichts. Mia senkt den Blick und macht ein summendes Geräusch.
»Viel Spaß«, sagt sie und legt ihre Hand auf Vanessas, streichelt sie ein wenig unbeholfen.
Das dunkelblaue Auto wartet schon am Straßenrand, als Vanessa aus der Tür tritt.
Sowie sie eingestiegen ist, fahren sie los.
»Wie geht es dir?«, erkundigt sich Adriana.
»Okay«, sagt Vanessa.
Im Auto ist es warm und sie schält sich aus Anna-Karins Dufflecoat.
»Gut, dass du dich schick gemacht hast«, sagt Adriana.
»Sollte man mich zum Tode verurteilen, sehe ich wenigstens so hübsch aus wie möglich.«
Adriana wirft ihr einen verblüfften Seitenblick zu. Und Vanessa merkt, dass sie viel zu sehr nach sich selbst klingt.
Als sie durch das Stadtzentrum fahren, fallen Vanessa gelbe Fahnen und Wimpel auf, die vor dem Ica-Markt im Wind flattern. Im Schaufenster hängen Werbeplakate für POSITIVE PREISE und das FRÜHLINGSFEST .
Sie überqueren die Kanalbrücke und Vanessa schaut nach unten aufs Wasser.
Hass gegen Erik und Robin erfüllt sie.
Wenn das hier überstanden ist, werden sie dafür bezahlen.
Und im selben Moment wird ihr bewusst, dass sie keine Angst mehr hat. Dazu ist sie viel zu wütend. Auf den Rat und auf alle anderen, die gegen die Auserwählten sind.
Vanessa will sie besiegen. Koste es, was es wolle.
Auf dem Weg zum Herrenhof tritt Anna-Karin so schnell in die Pedale von Idas Fahrrad, wie sie nur kann.
Sie ist nicht rechtzeitig aus dem Haus der Holmströms weggekommen. Carina und Anders haben versucht, sie am Frühstückstisch festzuhalten, wollten »ein ernstes Wort« mit ihr reden. Sie könnten »wahrlich nicht einfach danebensitzen und dabei zusehen«, wie sie »ihre Zukunft und ihr gesellschaftliches Leben zerstöre«. Anna-Karin wurde das starke Gefühl nicht los, dass sie damit in erster Linie ihr eigenes gesellschaftliches Leben gemeint haben.
Überall auf dem Vorplatz
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