Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
parken Autos. Aber die einzigen Menschen, die zu sehen sind, sind Minoo, Linnéa und Ida. Sie schauen hoch, als Anna-Karin näher kommt.
»Wo ist …«, setzt sie an, als sie vor den anderen abbremst.
»Anna-Karin ist schon mit Adriana reingegangen«, sagt Minoo schnell. »Bist du bereit, Ida?«
Anna-Karin nickt nur.
Sie hat sich so lange und so sehr vor diesem Tag gefürchtet, dass es ihr unbegreiflich scheint, dass es jetzt wirklich so weit ist.
Der Geruch frischer Wandfarbe schlägt ihnen entgegen, als sie die große Eingangshalle betreten. Die Fensterläden sind noch immer verschlossen, aber jetzt verbreiten Lampen ein warmes Licht auf den frisch gestrichenen weißen Wänden.
Viktor erwartet sie an der alten Rezeption. Seine Haare sind zurückgekämmt und er sieht noch korrekter aus als sonst. Er begrüßt sie mit ernstem Gesicht.
»Wieso siehst du so düster aus?«, fragt Linnéa. »Ich dachte, du könntest es kaum erwarten.«
»Nein, Vanessa«, erwidert er. »Das stimmt nicht. Kommt mit.«
Sie folgen ihm durch den Flur zur Bibliothek, und Anna-Karin muss an Kühe denken, die ins Schlachthaus geführt werden.
Die Doppelflügeltür zur Bibliothek ist weit geöffnet. Links und rechts davon steht je ein Wachmann im Anzug. Mit versteinerter Miene beobachten die beiden Anna-Karin, Linnéa, Ida und Minoo, die über den schachbrettartig gemusterten Boden auf sie zukommen. Anna-Karin glaubt, Holster unter ihren Jacketts zu erahnen, aber vielleicht geht auch nur ihre Fantasie im selben Takt wie die Panik mit ihr durch.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Sie sitzen fest. Sie müssen mitmachen, bis es zu Ende ist.
Und das ist allein ihre Schuld.
Jemand nimmt ihre Hand. Minoo. Gemeinsam treten sie durch die Doppelflügeltür.
Immer, wenn Anna-Karin an den Prozess dachte, stellte sie sich das Ganze vor wie in einer Fernsehserie. Einen Raum mit dunklem Holzpaneel und Richter mit weißen Perücken. Aber dieser Gerichtssaal ist nur ein gewöhnlicher Tagungsraum, der ganz in Weiß und Birke gehalten ist. Die Zuschauer könnten genauso gut gewöhnliche Konferenzteilnehmer sein. Männer und Frauen in Businesskleidung füllen die Stuhlreihen.
Anna-Karin fragt sich, ob sie unter ihnen Verbündete hat oder ob alle nur darauf hoffen, dass sie für schuldig befunden wird.
Viktor führt sie zu vier freien Plätzen hinter einem Tisch, an dem bereits Adriana sitzt. Sie dreht sich um und nickt ihnen wortlos zu. Eine große, antike Silberbrosche funkelt an ihrem Blazerkragen. Sie sieht ernst aus, aber gefasst. Es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass das dieselbe Frau ist, die sie erst vor wenigen Tagen im Vergnügungspark getroffen haben. Ihre Fassade ist vollkommen wiederhergestellt. Anna-Karin wüsste zu gerne, wie man diese Kunst erlernen kann.
Sie schaut auf den freien Stuhl neben Adriana.
Dort sollte ich sitzen, denkt sie und merkt, wie ihre Panik noch größer wird.
Viktor sitzt am selben Tisch wie Alexander, der mit konzentrierter Miene in seinen Unterlagen blättert. Sich auf die große Show vorbereitet. Das hier ist seine Chance zu brillieren, vom Rat noch mehr geschätzt und geliebt zu werden. Kein Wunder, dass er die Sicherheit, sie geradewegs in die Falle gelockt zu haben, während der Verhöre zu genießen schien.
Ganz hinten im Gerichtssaal befindet sich eine weitere Tür, vor der ein Tisch mit fünf Sitzplätzen aufgestellt ist. Rechts vom Tisch steht ein einzelner Stuhl. Er sieht ganz anders aus als alle anderen Stühle im Raum. Er hat eine hohe Lehne und ist aus einem Metall, das über viele Jahre schwarz angelaufen ist. Anna-Karin versteht sofort. Auf diesem Platz werden die Zeugen verhört.
Anna-Karin drückt Minoos Hand noch fester.
Die Tür öffnet sich und wie auf ein geheimes Signal hin stehen alle auf. Anna-Karin folgt der Bewegung und neben ihr tun Minoo, Ida und Linnéa dasselbe.
Fünf Richter betreten den Saal. Zwei uralte Frauen und drei mindestens genauso alte Männer. Einer nach dem anderen gehen sie an den Tisch und setzen sich.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagt die Frau in der Mitte.
Sie trägt ein dunkelrotes Kostüm, bei dessen Anblick Anna-Karin sofort an Blut denken muss.
»Führt die Angeklagte herein.«
Anna-Karin dreht den Kopf, genau wie der Rest der Zuschauer.
Zwei Wachmänner kommen aus der Bibliothek. Zwischen ihnen geht Vanessa.
Anna-Karin hat sich selbst noch nie so gesehen wie jetzt. Sie hat Mamas Beerdigungskostüm an. Den Kopf hoch erhoben. Die Haare im Nacken zu
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