Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
verlassen sie das Zimmer.
Papa steht am Ofen und wischt sich mit dem Hemdärmel den Schweiß aus der Stirn. Er beugt sich vor und schnuppert in den Dampf, der aus dem Soßentopf aufsteigt.
Minoo hat ihn vermisst. Nicht nur während dieser letzten Tage, in denen sie Linnéas Leben lebte. Ihre Sehnsucht reicht viel weiter zurück. In die Zeit, in der zu Hause alles normal war. Vor dem Streit. Vor Mamas Auszug.
Sie wünschte, sie könnte ihn umarmen. Ihm sagen, wie sehr sie ihn liebt. Aber das geht natürlich nicht. Er würde Linnéa für total übergeschnappt halten.
»Ich bin gleich fertig«, sagt er. »Minoo, deckst du den Tisch?«
Minoo zeigt diskret zum Schrank mit dem guten Porzellan, das sie benutzen, wenn Gäste kommen. Ida öffnet ihn und holt die Teller.
»Ich helfe dir«, sagt Minoo.
Sie geht zum Regal und nimmt sechs Gläser herunter.
»Wie schön, dass wir heute so viele sind«, sagt Papa und kippt die Kartoffeln ab. »Ich habe mich wirklich auf diesen Abend gefreut. Ihr könnt den anderen jetzt Bescheid sagen, dass sie kommen sollen.«
Ida ruft in den oberen Stock hoch. Minoo legt jedem Besteck hin, während die anderen sich um den Tisch verteilen. Als Papa sich schließlich auch hinsetzt, hat er Kartoffeln, Soße, Salat und einen dampfenden Braten serviert. Es sieht so lecker aus, dass Minoo sich kaum beherrschen kann, aber Linnéa wirft ihr einen warnenden Blick zu.
»Entschuldigung«, sagt Minoo. »Ich habe ganz vergessen zu sagen, dass ich kein Fleisch esse.«
Papa schaut sie gestresst an. Dann Ida.
»Warum hast du mir das nicht erzählt, Minoo?«
»Tut mir leid, ich hab nicht dran gedacht«, sagt Ida.
»Ist nicht schlimm«, sagt Minoo. »Ich kann Kartoffeln mit Soße und Salat essen.«
»Die Soße wirst du wohl auch nicht essen können«, sagt Linnéa schnell. »Nicht, wenn Bratenfond drin ist.«
»Nein, na klar«, sagt Minoo. »Aber es gibt ja noch Brot und Käse.«
Papa räuspert sich. Macht eine Geste, dass alle sich nehmen sollen. Anna-Karin häuft sich eine große Portion auf den Teller und Ida wirft ihr einen zornigen Blick zu.
»Ja«, sagt Papa. »Und wie kommt es, dass du Vegetarierin bist?«
»Soll sie mit einem Vortrag über die Fleischindustrie anfangen oder über Ethik im Allgemeinen?«, sagt Linnéa.
Minoo verzieht unfreiwillig das Gesicht. Aber Papa lächelt.
»Gut gekontert«, sagt er. »Es gefällt mir, wenn ihr eine eigene Meinung habt und Stellung bezieht. Das ist wichtig.«
»Wirklich«, sagt Ida mit Nachdruck.
Papa wirft ihr einen erstaunten Blick zu. Es bleibt einen Moment zu lange still. Linnéa schiebt ein Fleischstück durch die Soße, versucht, so gut es geht, es unter den Kartoffeln zu verstecken.
»Ist das lecker«, sagt Ida.
Die anderen stimmen begeistert zu.
»Danke. Es hat Spaß gemacht, mal wieder richtig zu kochen«, sagt Papa. »Das letzte große Essen ist ja schon eine Weile her.«
»Es ist wirklich supergut!«, sagt Ida fröhlich. »Hat jeder, was er braucht, oder soll ich noch was holen?«
Ida ist viel zu schleimig. Hoffentlich denkt Papa, dass Minoo nervös ist und sich deshalb wie eine übereifrige Gastgeberin benimmt.
»Anna-Karin, möchtest du noch Wasser?«, fragt Ida.
Vanessa lächelt steif und lässt sich von Ida nachschenken.
»War heute im Büro was Besonderes?«, erkundigt sich Ida und stellt die Karaffe ab.
»Tatsächlich habe ich eine traurige Neuigkeit«, sagt Papa. »Euer alter Rektor Ingmar Svensson … Ihr müsstet ihn eigentlich alle noch aus der Mittelschule kennen, oder?«
Minoo erinnert sich an einen grauen Mann, der sich garantiert wohler dabei gefühlt hätte, Akten hin und her zu schieben, als mit Menschen zu tun zu haben. Vor allem mit Schülern.
»Er ist von uns gegangen«, sagt Papa.
Vanessa rutscht fast das Glas aus der Hand.
»Entschuldigung«, sagt sie und versucht, das verschüttete Wasser mit ihrer Serviette aufzutupfen. »Woran ist er gestorben?«
»Es war wohl ein Stromschlag«, sagt Papa. »Man weiß nicht genau, was passiert ist, aber man vermutet, dass es ein Fehler in den Leitungen in seinem Büro war. Es ist wahnsinnig tragisch. Sie wollen untersuchen, ob es einen Zusammenhang zu diesen anhaltenden Stromproblemen gibt, ob damit auch irgendwie das Unfallrisiko steigt. Er ist ja nicht der Erste, dem es so übel ergangen ist.«
»Wie meinen Sie das?«, fragt Minoo.
»Leila Barsotti. Minoos alte Lehrerin.«
»Ist sie auch an einem Stromschlag gestorben?«, fragt Minoo.
»Ja, es stand zwar
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