Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
sitzt, ist an die Wand gerückt.
Die innere Unruhe breitet sich wieder aus. Sie nimmt den Stuhl und stellt ihn an die Stirnseite des Tisches. Niemand hat für sie gedeckt. Sie geht zum Schrank und holt sich einen Teller und ihren Teebecher.
»Guten Morgen«, sagt sie.
Niemand antwortet. Oder schaut sie auch nur an. Als wäre sie unsichtbar. Für einen schrecklichen Augenblick lang glaubt Ida, dass genau das passiert ist. Dass sie sich beim Körpertausch mit Vanessas Kraft angesteckt hat.
Aber dann merkt sie, dass Rasmus zu ihr herüberschielt und versucht, ein Grinsen zu verbergen, bevor er schnell wieder wegschaut.
»Was meint ihr, wird das Frühlingsfest im Zentrum super?«, sagt Papa zu Rasmus und Lotta.
Die beiden nicken eifrig.
»Ich
liebe
den Frühlingsanfang«, sagt Lotta. »Dann werden die Tage nämlich wieder länger als die Nächte.«
»Ganz genau«, sagt Papa und wuschelt ihr durch die Haare. »Und was könnte man besser feiern als das?«
»Tut mir leid, dass ich gestern so spät nach Hause gekommen bin«, sagt Ida. »Aber ich musste …«
»Ich bin gestern am Zentrum vorbeigekommen und sie haben für heute Abend wirklich alles unheimlich hübsch vorbereitet«, fällt ihre Mutter Ida ins Wort, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
»Kannst du mir die Butter geben?«, sagt Lotta.
»Kannst du mir
bitte
die Butter geben«, verbessert Mama sie und reicht ihr den Teller.
»Was soll das?«, sagt Ida. »Wieso ignoriert ihr mich?«
Keine Antwort. Lotta schmiert sich dick Butter auf ein Knäckebrot. Dann streift sie die übrige Butter mit dem Finger vom Buttermesser und steckt ihn in den Mund.
»Igitt, bist du eklig«, sagt Ida.
»Hör damit auf«, sagt Mama ruhig und nimmt Lotta das Messer aus der Hand.
Es kracht, als Papa in sein Brot beißt. Niemand sagt etwas. Nur Rasmus sieht aus, als würde er jeden Moment vor Lachen platzen.
»Findest du das witzig, oder was?«, sagt Ida.
Er starrt auf die Tischplatte und zerdrückt einen Brotkrümel mit dem Zeigefinger.
»Ich habe übrigens Erik im Zentrum getroffen«, sagt Mama und schaut Papa an. »Er freut sich riesig auf das Fest heute Abend in der Schule. Sie wollen wohl auch das PE -Mitglied des Jahres auszeichnen. Ich glaube, er hofft, dass sie ihn wählen. Aber das hat er natürlich nicht laut gesagt.«
Sie und Papa lächeln sich wie Verbündete an.
»Kann mir mal bitte jemand sagen, was ich verbrochen habe?«, sagt Ida.
Sie darf ihre Eltern nicht auch noch verlieren. Ohne sie hat sie überhaupt niemanden mehr auf ihrer Seite.
Keine Antwort. Lotta seufzt, während sie langsam mit halb geöffnetem Mund kaut.
»Es ist doch nicht zu übersehen, dass ich eurer Meinung nach irgendwas verbrochen habe«, fährt Ida fort, ihre Stimme bricht, und sie muss mehrmals schlucken, bevor sie weiterreden kann. »Es wäre schon nett, wenn ich wenigstens erfahren dürfte, wofür ich bestraft werde.«
»Das weißt du genau.«
Mama schaut Ida dabei nicht an.
»Nein«, sagt Ida und versucht, ihre Stimme fest klingen zu lassen. »Das weiß ich nicht.«
»Wir erfahren, dass du dich neuerdings mit Kriminellen herumtreibst«, sagt Mama ruhig und sachlich. »Du weigerst dich, mit Papa und mir zu reden. Dann verschwindest du fast ein ganzes Wochenende und nimmst ohne unsere Erlaubnis das Auto. Kommst mitten in der Nacht heim. Offenbar sind wir dir egal. Da haben wir beschlossen, dass du uns auch egal bist.«
Ida hat das Gefühl, von innen heraus zerrissen zu werden. Als hätte ihr jemand ein Messer in den Bauch gerammt und sie bei lebendigem Leib aufgeschlitzt.
»Was soll ich tun?«, sagt sie und kann die Tränen nicht zurückhalten, die ihr in die Augen steigen und auf ihr Knie tropfen. »Um Entschuldigung bitten? Es tut mir leid. Wirklich. Es tut mir leid. Ich war nicht ich selbst.«
»Nein, das haben wir gemerkt«, sagt Papa.
»Was wollt ihr denn? Was soll ich tun? Soll ich euretwegen wieder mit Erik zusammen sein? Das ist doch total krank!«
»Du hast dich an einer Schmutzkampagne gegen den Sohn unserer besten Freunde beteiligt …«, setzt Mama an.
»Aber es stimmt doch!«, sagt Ida. »Es ist alles wahr! Er hat es getan!«
Sie kann sich nicht länger beherrschen. Alle schauen sie jetzt an. Mama, Papa, Rasmus und Lotta.
»Ihr wollt nur nicht wahrhaben, wie Erik ist«, fährt Ida fort. »Er ist ein Schwein! Er hat sein Leben lang andere gemobbt. Wisst ihr, was er in der Siebten mit Elias Malmgren gemacht hat?«
»Jungen raufen sich eben manchmal«, sagt
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