Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
»
Nazaninam, tscheghadr borsog schodi!
Und wie hübsch du bist! Du siehst Darya und Shirin so ähnlich!«
Minoo geht zu ihr und umarmt ihre Tante. Achtet darauf, auch ihre Mutter in den Arm zu nehmen, eine halbe Sekunde länger als sonst.
Mama schaut Minoo überrascht an, als wäre es ihr aufgefallen.
»Wollen wir nicht reingehen,
batsche-ye chabalu
?«, sagt Bahar. »Wir wollten gerade aufstehen und Kaffee trinken. Trinkst du Kaffee? Shirin hat schon mit dreizehn damit angefangen. Ein bisschen früh, wenn du mich fragst, aber was soll man tun? Ich soll euch übrigens von ihr grüßen. Von Darya auch. Die beiden wären so gerne mitgekommen, aber sie sind so beschäftigt, immer so beschäftigt. Hat Shirin euch erzählt, dass sie eine Rolle beim Film bekommen hat?«
Bahar plaudert weiter, während sie in die Küche gehen. Mama schenkt ihnen Kaffee ein und lächelt Minoo vielsagend zu, als Bahars Huldigungen ihrer Töchter gar kein Ende nehmen wollen.
Plötzlich ist Minoo unglaublich froh darüber, dass Bahar da ist. Das ist genau das, was ihre Mutter jetzt braucht. Und Papa auch. Die lebhaften Diskussionen zwischen ihm und seiner Schwägerin heitern immer beide auf, selbst wenn sie nie einer Meinung sind.
»Oder was meinst du, Minoo?«
Bahar schaut sie herausfordernd an. Minoo hat keine Ahnung, worum es gerade geht.
»Wie bitte?«
»Ich sagte gerade, dass du auch auf eine Schule gehen solltest wie Shirin. Sonderlich viel Bildung kann das ja nicht sein, was euch hier oben vermittelt wird. Und was Freunde angeht …
Na, aslan fekrescho nemicham bokonam!
Hier gibt es keine Kultur! Ihr habt doch noch nicht mal eine Buchhandlung, oder? Es wäre fantastisch für dich, nach Stockholm zu kommen.«
»Bahar, es reicht jetzt«, sagt Mama.
Minoo schaut sie verblüfft an.
Für gewöhnlich ist ihre Mutter alles andere als die heldenhafte Fürsprecherin von Engelsfors. Und Bahars Reaktion ist noch merkwürdiger. Sie verstummt gehorsam auf eine vollkommen Bahar-untypische Art.
Papa kommt in die Küche und Bahar lächelt bemüht.
»Hallo, Erik«, sagt sie.
Er erwidert ihr Lächeln nicht.
»Guten Morgen«, sagt er kurz, geht an die Kaffeemaschine und gießt sich den letzten Schluck ein. »Entschuldigt, aber ich habe zu tun.«
»Ich verstehe«, sagt Bahar und das aufgesetzte Lächeln spannt sich wieder über ihr Gesicht.
Mama schweigt. Sie weicht Papas Blick aus.
Minoo schaut fragend von einem zum anderen zum Dritten. Was ist hier los?
Papa verzieht sich in sein Arbeitszimmer und die Stimmung ist sofort gelöster.
»Wir wollen einen Spaziergang an die Schleuse machen, bevor es wieder zu warm wird«, sagt Mama.
Minoo schaut ihrem Vater nach, der die Tür zum Arbeitszimmer hinter sich zumacht.
»Ja, unglaublich, das ist offenbar ein echter Landesrekord«, sagt Bahar. »Sie haben sogar im ersten Programm darüber berichtet.«
Mama schaut Minoo an.
»Kommst du mit?«
»Ich will noch duschen und außerdem muss ich Hausaufgaben machen.«
»Du siehst, ein bisschen Bildung bekommen die Kinder hier oben auch«, sagt Mama zu Bahar.
Minoos Haare sind noch nass, als sie an Papas Arbeitszimmertür klopft.
»Was ist los?«, fragt er gereizt.
»Darf ich reinkommen?«
»Ja, natürlich«, sagt er und seine Stimme klingt weicher.
Minoo öffnet die Tür. Papa sitzt gebeugt über seinem Schreibtisch und lächelt sie müde an. Seine großen Hände liegen auf der Laptoptastatur.
»Was hast du auf dem Herzen?«, fragt er.
»Ich wollte nur kurz mit dir reden.«
»Worüber denn?«
Über dich und Mama. Worüber ihr euch eigentlich streitet. Ob ihr euch scheiden lassen wollt. Und warum sich Bahar auch so komisch benimmt
.
»Wusstest du, dass unsere Rektorin gefeuert wurde?«
Papa richtet sich auf, bekommt diesen besonderen Gesichtsausdruck, wie immer, wenn er eine Nachricht wittert.
»Wann war das?«
»Gestern Nachmittag. Ich glaube nicht, dass es schon offiziell ist. Aber geht das überhaupt? Dürfen die sie einfach so rausschmeißen?«
Papa trinkt einen Schluck Kaffee und sieht nachdenklich aus.
»Das klingt ziemlich komisch. Aber es gibt natürlich Mittel und Wege, um Vorschriften zu umgehen.«
»Ich habe gehört, dass es mit Rebecka und Elias zusammenhängen soll.«
»Du scheinst eine ganze Menge gehört zu haben«, sagt Papa. »Woher hast du das eigentlich alles? Oder sind es nur Gerüchte?«
»Ich weiß es von … ich nehme an, du würdest es eine ›sichere Quelle‹ nennen.«
»Vielleicht wird aus dir doch
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