Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
am Freitag gewesen«, sagt Diana.
»Aber ich habe einen Anruf vom Jugendamt bekommen. Man hat mir gesagt, Sie wären krank. Erst Lebensmittelvergiftung und dann Grippe. Ich habe nur darauf gewartet, dass Sie sich wieder melden.«
Linnéa hört selbst, dass das wie eine abgedroschene Ausrede klingt.
»Linnéa, bitte. Wie kannst du hier sitzen und mir so dreist ins Gesicht lügen?«
»Aber ich lüge nicht …«
»Ich war nicht krank, also wieso hätte dich jemand anrufen und so etwas behaupten sollen?«, sagt Diana. »Ich habe diverse Nachrichten auf deinem Anrufbeantworter hinterlassen, und ich habe mehrere Vorladungen geschickt, auf die du nicht reagiert hast.«
Linnéa darf jetzt keine Panikattacke bekommen und schon der Gedanke daran lässt die Panik steigen. Sie versucht, ruhig und beherrscht zu klingen. Erwachsen. Verantwortungsbewusst.
»Ich habe Ihre Nachrichten nicht erhalten. Oder irgendwelche Vorladungen. Bitte, Diana, glauben Sie mir.«
»Hat diese Vanessa dich dazu überredet, Partys zu veranstalten?«
»Was für Partys?«
»Deine Nachbarn haben sich beschwert. Hier war offenbar die Hölle los, um es auf den Punkt zu bringen. Sogar unter der Woche, bis in die Morgenstunden.«
»Aber ich habe doch fast keine Nachbarn hier!«, platzt Linnéa heraus.
»Dann gibst du also zu, dass ihr hier gefeiert habt?«
»Nein, natürlich nicht!«
Diana seufzt.
Linnéa registriert, wie schwer sie selbst atmet. Diana muss ihr zuhören, sie muss ihr glauben. Das hat sie doch sonst immer getan.
»Du behauptest also, dass du vollkommen unschuldig bist«, sagt Diana.
»Ja.«
Dianas Mund verwandelt sich in einen dünnen Strich. Falsche Antwort.
»Dann bin ich also diejenige, die lügt?«, fragt sie.
»Nein, so meine ich das nicht! Aber vielleicht hat jemand anders Sie angelogen …«
»Dann haben wir es hier mit einer
Verschwörung
zu tun?«
Der Albtraum wird immer schlimmer. Linnéa versucht, Dianas Gedanken zu lesen, aber es geht nicht, sie hat viel zu viel Angst, sie kann sich nicht konzentrieren.
»Ich kann dir nicht helfen, solange du mir nicht die Wahrheit sagst«, sagt Diana und steht auf.
Auch Linnéa steht auf und begleitet Diana in den Flur.
»Das muss ein Missverständnis sein«, sagt Linnéa. »Sie müssen mir die Chance geben, es Ihnen zu beweisen.«
Diana bleibt in der Tür stehen und dreht sich um.
»Schuld haben immer die anderen, nicht wahr?«, sagt sie. »Ich mag dich, Linnéa. Aber dir ist nicht damit geholfen, wenn ich dich einfach durchkommen lasse. Du musst lernen, Verantwortung für dein Handeln zu übernehmen. Du stehst an einem Scheideweg.
Du
musst dich entscheiden. Sieh zu, dass du die richtige Wahl triffst.«
Linnéa steht noch im Flur, als Diana längst gegangen ist. Sie würde am liebsten laut schreien, Sachen gegen die Wand schleudern, irgendetwas kaputt machen, zerreißen. Alles das, was sie nicht darf.
29. Kapitel
B
ahar stellt ihren Rollkoffer auf dem Bahnsteig ab und nimmt Minoo lange und fest in den Arm.
»Dokhtar azizam«,
sagt sie. »Pass gut auf dich auf. Und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«
»Ich auch«, sagt Minoo und meint es wirklich so.
Sie will nicht, dass Bahar fährt. Sicher, die Stimmung war auch während ihres Besuchs seltsam und angespannt, aber Mama und Papa haben sich wenigstens wie zivilisierte Menschen benommen.
Bahar umarmt Minoos Mutter und drückt sie noch länger, flüstert ihr etwas ins Ohr. Als sie sich loslassen, haben beide Schwestern Tränen in den Augen. Sie geben sich ein letztes Mal die Hand und dann steigt Bahar ein.
Die Türen schließen mit einem zischenden Geräusch und der Zug rollt langsam an. Minoo und Mama bleiben stehen, bis er außer Sichtweite ist.
Beklemmendes Schweigen macht sich breit. Sie tragen es mit sich ins Auto, es begleitet sie die ganze Fahrt über.
Mama parkt den Wagen ein Stück von der Schule entfernt und macht den Motor aus. Sie dreht sich zu Minoo um. Es sieht aus, als würde sie sich sammeln. Als wollte sie endlich die Wahrheit sagen.
Aber dann ist das aufgesetzte Lächeln wieder da.
Wie kann sie nur glauben, dass dieses Lächeln mich täuschen kann?, denkt Minoo. Ausgerechnet Mama mit ihrem Gerede, dass es nicht gut ist, seine Gefühle zu unterdrücken.
»Hab einen schönen Tag«, sagt Mama.
Minoo kann diese Scharade plötzlich keine Sekunde länger ertragen.
»Wollt ihr euch scheiden lassen?«, fragt sie.
Mama sieht erschrocken aus, was Minoo noch wütender macht. Hat sie sich wirklich
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